Bleischwer
dieses Schwerverbrechers und dann finde ich ihn auch noch tot am
Angelsee. Brutal erschlagen. Schrecklich!«
Die
geschäftigen Bewegungen der Kosmetikerin froren ein. Jule öffnete die Augen
einen Spalt breit. Erschrocken sah sie, wie sich maskenhafte Blässe seinen Weg
durch die gebräunte Gesichtshaut ihres Gegenübers bahnte.
»Frau Pütz-Coenen?
Ist alles in Ordnung?«
Die
nickte langsam. »Sie haben die Leiche von Stefan Winter gefunden?«, fragte sie
mit brüchiger Stimme.
Jule
setzte sich auf. Irgendetwas im Tonfall der Frau war ganz anders, als sie
erwartet hatte. »Ja. Mein Mann und ich, wir besitzen einen Dauerstellplatz im
›Eifelwind‹. Seit vielen Jahren … «
»Kannten
Sie Stefan?« Die Frage kam so unerwartet, dass Jule fast der Mund offen stehen
blieb.
Sie
zögerte mit der Antwort. »Nein«, sagte sie schließlich gedehnt. »Sie denn?«
Melanie
Pütz-Coenen zog sich ein Rollhöckerchen heran und setzte sich. Ihre Finger
zitterten.
»Ja«,
bekannte sie. »Er war mal mit meiner Schwester verlobt. Bevor er … «, sie
hielt inne und sprach dann mit belegter Stimme weiter, »… bevor er ins Gefängnis kam. In
der letzten Zeit hatten die beiden wieder Kontakt. Sonja hat ihn ein paar Mal
in Köln besucht. Ich … Mir kam das komisch vor. Sie hat ihn schon damals … nur
ausgenutzt.« Wieder pausierte sie und stieß dann unvermittelt aus: »Was rede
ich denn da? Meine Schwester ist tot. Und die Polizei sagt, dass Stefan das
war. Ich kann das nicht glauben.«
»Sonja
Bohr war Ihre Schwester?« Jule bemühte sich, möglichst authentisch zu klingen.
Sie kam sich verlogen und hinterlistig vor.
Melanie
Pütz-Coenen nickte nur. Sie wirkte immer noch wie schockgefroren.
»Das
tut mir leid«, flüsterte Jule und berührte leicht die Hand der fremden Frau.
»Das mit Ihrer Schwester, meine ich … «
»Danke.«
Ihr
Blick schweifte durch den hellen Raum, bis er in Jules Augen hängen blieb. »Es
ist furchtbar. Grauenhaft. Selbst wenn wir uns nicht sehr nahe standen, Sonja
und ich. Aber es ist auch schrecklich, dass … « Sie
brach ab, in ihren schwarz getuschten Augenwinkeln glänzte es verdächtig.
»Dass
Stefan Winter tot ist?«, wagte Jule vorsichtig zu fragen. Ohne eine Antwort
abzuwarten, fuhr sie fort. »Ich kenne einen Jugendfreund von ihm recht gut. Er
glaubt auch nicht, dass Stefan Sonja ermordet hat.«
Ungläubig
starrte die Kosmetikerin sie an: »Reden Sie etwa von Michael Faßbinder?«
»Ja,
genau.«
Die Blicke
der beiden Frauen begegneten sich erneut, verbanden sich in Einvernehmlichkeit.
Schließlich
lächelte Melanie. Doch plötzlich verdunkelten sich ihre Züge und sie sagte
abfällig: »Die Bullen suchen ihn. Sie glauben, dass er Stefan getötet hat. Ich
habe selten so einen Schwachsinn gehört, wie ihn dieser fette Kommissar gestern
verzapft hat.« Ihre perfekt geschminkten Lippen kräuselten sich verächtlich
Jule
schnaubte: »Ich hasse diesen Typen«, erklärte sie voller Inbrunst. »Meiner
Meinung nach ist er dummdreist, unverschämt und völlig inkompetent!«
Melanie
Pütz-Coenen lachte trocken. »Die Beschreibung passt!«
Nun
schien sie eine Entscheidung gefällt zu haben. Jule registrierte, dass ihr
Gesicht wieder seine ursprüngliche Farbe angenommen hatte: Goldbraun. Es schien
ihr besser zu gehen.
»Frau
Maiwald, wie wär’s, wenn ich erst mal die Behandlung zu Ende führe und wir uns
danach ausgiebig unterhalten? Falls Sie noch Zeit haben … «
Natürlich
war Jule einverstanden. Und natürlich hatte sie Zeit. Das Treffen mit Sonja
Bohrs Schwester verlief viel besser als geplant.
Es
dauerte nicht lange, bis sich die Frauen in den Cocktailsesseln gegenüber
saßen. Melanie hatte das ›Geschlossen‹-Schild nach draußen gehängt und Jule das
›Du‹ angeboten.
Gerade
erzählte sie von ihrer Verbindung zu Stefan Winter.
»Er war
ein Chaot, ein Ganove«, resümierte sie, »aber trotzdem kein übler Kerl. Ich
fand ihn toll. Als Teenie, meine ich. Habe für ihn geschwärmt. Er war lustig
und cool. Er kam öfter zu uns nach Hause. Wir haben damals mitten in Köln
gewohnt, in der Nähe von Groß St. Martin. Auch Michael Faßbinder war ab und zu
dabei. Das muss circa 85 / 86 gewesen sein. Sonja war 20,
ich 16. Aber Sonja ist echt mies mit Stefan umgesprungen. Wenn er Kohle hatte,
war er für sie der Held. Egal, wie er die bekommen hat. War er abgebrannt,
wollte sie nichts von ihm wissen. Die Idee, eine Bank zu überfallen, um auf
einen Schlag an massig Kohle zu
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