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Bleischwer

Bleischwer

Titel: Bleischwer Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Christiane Wünsche
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Hecke
neu«, erklärte Hermann weiter. »Anstelle des alten Wohnwagens würde ich etwas
Stabileres vorziehen, am besten ein kleines Mobilheim mit Holzterrasse und
Pergola. Den Weinstock pflanzen wir hierher … «
    »Nein.
Keinen Wein!« Das brach so heftig aus Jule heraus, dass sich sogar die
Kellnerin angesprochen fühlte.
    »Nein,
nein, Sie hatten ja auch keinen bestellt«, wiegelte sie verdutzt ab.
    Jule
machte eine beschwichtigende Handbewegung, um sich sofort wieder Hermann zu
widmen. »Kein Weinstock!«, wiederholte sie resolut. »Ich will das Zeug nicht
mehr auf dem Stellplatz haben. Bringt bloß … Unglück.« Das letzte Wort war nur gemurmelt, der Alte hatte sie dennoch
verstanden. Er wurde noch eine Nuance blasser um die Nase.
    »Natürlich,
Kind. Wenn du es so willst.«
    Beide
beugten sich erneut über die Zeichnung.
    »Gut«,
schloss Jule. »Ich glaube, das wird schön. Mit Opa Maiwalds Garten hat es
natürlich wenig zu tun. Aber so ist es nun einmal. Vorbei ist vorbei.« Sie
kämpfte mit den Tränen. »Aber ein Neuanfang ist immer auch eine Chance, nicht
wahr?«
    Hermann
nickte bloß traurig.
    »Dein
Opa war mir ein guter Freund«, raunte er heiser. »Immer, wenn ich den alten
Caravan hinter der Forsythienhecke hervorlugen sah, musste ich an ihn denken.
An seine halsstarrige und treue Art.«
    Jule
schluckte und bekannte: »Gerti und du, ihr erinnert mich oft an meine
Großeltern.«
    »Danke.
Du bist lieb.« Jetzt glitzerte es verdächtig in Hermanns Augenwinkeln. Die
weißen Wimpern flatterten. »Kind, wir machen uns solche Sorgen um den Jungen«,
stieß er mit einem Mal hervor. »Wenn du etwas weißt, bitte sag es uns. Gerti
kann vor lauter Sorge nicht mehr schlafen. Stell dir vor, man hat Michas
Lieferwagen am Bahnhof in Mechernich gefunden. Seine paar Habseligkeiten waren
noch drin. Wo kann er nur sein? Hoffentlich ist ihm nichts zugestoßen!«
    Jule
fuhr erschrocken zusammen. Was sollte sie tun? Dicht halten oder die beiden
alten Leute mit den Informationen versorgen, die sie wieder ruhig schlafen
lassen würden. Nach kurzem Nachdenken entschied sie sich für die zweite
Variante.
    »Er ist
in Sicherheit«, sagte sie mit leiser, fester Stimme. »Seid ganz beruhigt.«
    Doch so
billig ließ sich der Alte nicht abspeisen. Hartnäckig bohrte er nach. »Wo? Wo
ist er? Geht es ihm gut?«
    Schließlich
verriet sie es ihm. Adresse, Telefonnummer, alles. Sie rang Hermann noch das
Versprechen ab, niemandem außer Gerti davon zu erzählen. Mit mulmigem Gefühl
verabschiedete sie sich schließlich. Nur eins blieb noch zu fragen.
    »Ach
Hermann, was für einen Termin hattest du eigentlich heute morgen hier auf der
Kö?«
    »Termin?«
Sein Gesicht verzog sich gequält. »Beim Arzt war ich, Kind. Einem Urologen,
Koryphäe auf seinem Gebiet. Ich habe nämlich Prostatakrebs. Weiß ich schon
länger. Nur nicht, dass es so schlecht aussieht. Metastasen in den Knochen und
so weiter. Na ja, wer lebt schon ewig?«
     
    Sie fuhr umgehend zu Michael.
Der verhielt sich gereizt wie ein gerade in der Savanne gefangener Löwe.
Außerdem war er angetrunken und das schon um 14 Uhr.
    »Deine
Zicke von einer Schwester war noch mal hier«, höhnte er zur Begrüßung. »Um mich
aus dem Haus zu jagen. Sie hat mir sogar Geld geboten, damit ich die Flatter
mache.«
    »Was?«
Jule fasste es nicht. Entsetzt folgte sie Michael ins abgedunkelte Wohnzimmer.
    »Angeblich
ist alles nur zu deinem Besten«, fuhr er giftig fort. Seine Bewegungen waren
eckig und angespannt. Die Nackenmuskulatur wirkte verkrampft. »In Wirklichkeit
geht es ihr bloß um deinen Mann, den tollen Jörg! Ist dir eigentlich klar, dass
dein Schwesterlein diesen Rechtsverdreher vergöttert?«
    »Ach
Quatsch.« Plötzlich fühlte sie sich müde und erschöpft. »Das bildest du dir
ein.«
    Micha
fuhr zu ihr herum wie von der Tarantel gestochen. »Nichts bilde ich mir ein!«,
stieß er wütend aus. Er tigerte zur halb vollen Rotweinflasche, die auf dem
Couchtisch stand, und setzte sie an den Hals. Nach einem tiefen Schluck redete
er weiter: »Sprich nicht mit mir, als ob ich schwachsinnig wäre. Den Part hat
deine Schwester schon übernommen.«
    »Hey,
ist ja gut.« Jetzt erst begriff sie das Ausmaß seiner miesen Stimmung.
Vorsichtig berührte sie ihn am Oberarm, strich leicht über den gewölbten
Bizeps. »Natürlich halte ich viel von deiner Meinung. Aber Jana kenne ich wohl
etwas besser und länger als du.«
    Michael
erstarrte mitten in der Bewegung. »Du weißt, was ich

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