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Blendwerk - Ein Piet-Hieronymus-Roman

Titel: Blendwerk - Ein Piet-Hieronymus-Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: PeP eBooks
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tun. Es war sehr still. Vom Sturm draußen drang nichts durch die dicken Mauern. So war es kein Wunder, daß ich zusammenfuhr, als ein tiefes Rumpeln zu hören war. Man spürte auch eine Vibration. Ich sah meinen Gastgeber fragend an.
    »Die Eisenbahn«, sagte er. »Der Tunnel geht mitten durch den Berg, auf dem das Schloß steht. Es soll auch Gänge geben, die von dort in die Kellergewölbe direkt unter uns führen.«
    »Dein Bild ist sehr schön. Warum willst du es nicht der Öffentlichkeit zeigen?«
    »Ich habe es ›Die Freiheit‹ genannt. Man macht sich mit solchen Motiven nicht beliebt hier.«
    Er sah auf die Uhr. »Gleich fängt es an. Komm mit rüber ins Bad.«
    Ich wußte nicht, wovon er redete. Was er Bad nannte, war ein armseliger Verschlag, in dem eine große, alte Wanne aus Gußeisen stand. Die Emaille war defekt, das Waschbecken halb aus der Wand gebrochen. Es hielt nur durch den Holzbalken, der daruntergeklemmt war.
    In einer Ecke liefen mehrere dicke und dünne Rohre die Wand hinab. Derbacher winkte mich heran. Dann legte er sein Ohr an die Installation. Ich tat es ihm nach. Unsere Stirnen berührten sich fast, und ich roch den feinen Geruch dieses Mannes. Er erinnerte an den Geruch sauberer alter Männer, die sich oft mit billiger Kernseife waschen. Wahrscheinlich riechen auch Tote so, die man für die Beerdigung zurechtgemacht hat.
    Plötzlich hob er den Finger und legte ihn an die Lippen. Da war tatsächlich etwas. Ein an- und abschwellendes Rauschen. Ein stampfendes Geräusch, Maschinenlärm. Dann ein langgezogenes, klagendes Tuten, wie von einem Nebelhorn.
    »Das wird jetzt eine Weile so gehen«, sagte er. »Wahrscheinlich bis in den Morgen hinein.«
    »Was ist es?«
    Er gab keine Antwort. »Komm, wir gehen rüber«, sagte er nur.
    Wir saßen wieder in seinen unbequemen Sesseln. Es waren Attrappen, wie man sie im Theater benutzt.
    Heinz legte eine Platte auf. Es war ihm anzumerken, daß er nicht reden wollte.
    »Hör mal, Heinz«, sagte ich. »Es gibt hier mehrere Leute, die Angst zu haben scheinen und die auf eine dumme Weise verschwiegen sind. Das ärgert mich. Hier kannst du doch reden, oder fürchtest du, daß die Wände Ohren haben? Rechnest du mit Wanzen?«
    Er schüttelte den Kopf.
    »Noch eine Frage, was ist mit der verschleierten Frau? Hast du sie schon mal gesehen?«
    Heinz Derbacher gab keinen Mucks von sich. So, wie er da saß, verstockt und plötzlich ohne Zutrauen zu mir, erinnerte er mich an Dick.
    »Heinz«, sagte ich noch einmal, »du kannst mir vertrauen. Was geht hier vor? Was ist die Ursache der Dornenhecke aus Ängsten in dieser Stadt? Hat es etwas mit dem Deutschling zu tun?«
    Wieder war da diese Furcht in seinen Augen.
    »Deutschling? Ich weiß nicht, was du meinst.«
    »Mein Freund Dick hat das Wort benutzt. Ich glaube, er meint damit einen Menschen, der Angst hat, ohne zu wissen, warum. Was ihn zuweilen gefährlich macht. Ein Mächtiger, der innerlich ohnmächtig ist. Der aus Schwäche um sich schlägt. Es gibt sie auch in meiner Heimat, aber hier scheinen sie besonders häufig zu sein. Weißt du etwas davon? Dick, Volz und du, habt ihr mehr miteinander zu tun, als ihr zugeben wollt?«
    Ganz gegen meine Gewohnheit drang ich mit Fragen in ihn. Heinz wirkte unsicher. Hilflos. Ich spürte, daß er mich los sein wollte.
    »Volz und Dick sind die einzigen, die Bilder von dir haben.«
    Heinz beugte sich vor. Sein Blick war unruhig, schien dem Teppichmuster zu folgen.
    »Bitte behalte bei dir, was ich dir jetzt sage. Alles hängt mit dem Theater zusammen. Es gibt hier eine freie Gruppe. Sie nennen sich die Nachtlöhner. Ich habe die Lofoten für sie gemalt. Es ist eine Bühnenkulisse. Aber mehr will ich mit ihnen nicht zu tun haben.«
    »Die Nachtlöhner. Der Kerl aus dem Kulturkaffee mit dem Oberlippenbart gehört dazu?«
    »Er ist der Chef. Wir nennen ihn ›Edwin‹.«
    »Was spielen sie für Stücke?«
    »Im Sommer hauptsächlich Ritterstücke wie den Götz. Auf der Freilichtbühne.«
    »Auch Operetten?«
    »Auch Operetten. Sie sind im Winter besonders beliebt. Es gibt auch Liederabende.«
    »Eine vielseitige Truppe.«
    »Das deutsche Liedgut ist einmalig auf der Welt. Es gibt in keiner anderen Nation etwas Vergleichbares. Das hat Ost und West immer zusammengehalten.«
    Ich sah Derbacher voller Verwunderung an. Er sprach plötzlich ganz anders, salbungsvoll, wie ein Fremder.
    »Das Lied, ist es so etwas wie der Blues der Deutschen?«
    Er lachte. »So kann man es auch

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