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Blendwerk - Ein Piet-Hieronymus-Roman

Titel: Blendwerk - Ein Piet-Hieronymus-Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: PeP eBooks
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Gesichtslose, schwarze Kegel, Damen auf einem Schachbrett, dessen schwarzweißes Feld von den Schatten und Lichtreflexen des Waldbodens gebildet wurde.
    Ich drehte die Karte herum. Auf der Rückseite stand nur ein einziges Wort: Peter. Der Buchstabe in der Mitte war wie ein Grabkreuz gemalt. Peter ist die deutsche Form von Piet. Eine Drohung nicht ohne Raffinesse. 97
    Den ganzen Rest des Tages lag ich angezogen auf dem Bett bei herabgelassenen Rolläden. Mühsam versuchte ich, Ordnung in meine Gedanken zu bringen, mir Fragen nach dem Motiv des Attentats zu stellen. Ich kam nicht weit. Zwischen Dick, Derbacher und dem Koch des Altersheimes gab es allerdings eine Gemeinsamkeit: Alle hatten sie eine etwas verquere Vorstellung von Freiheit. Alle besaßen sie diese Bilder, die Waldlichtungen und pflanzenhaften Totenköpfe. Es roch nach Verschwörung. Waren die Deutschen nicht immer schon hierin Meister? »Verschwörung«, »Dunkelmänner«, wieder kamen sie mir in den Sinn, diese melodiösen deutschen Wörter, die klangen, als würden sie tief im Keller der Seele von jemandem gesungen, der Angst hat.
    Meine ziemlich vergeblichen Überlegungen endeten immer wieder bei der schwarz verschleierten Frau, die sich nun auf dem Foto auch noch verdoppelt hatte. Lilli, die Frau des Kochs und Hobbygeologen, hatte sie leibhaftig gesehen. Die deutsche Kaiserin. Ich bedauerte, daß meine Geschichtskenntnisse so schwach waren. Ich wußte nur, daß Wilhelm nach seiner Abdankung in Holland noch einmal geheiratet hatte. Eine deutsche Prinzessin aus Thüringen, aus dieser Stadt. Ich mußte mehr darüber wissen. Am besten war es wohl, mit jenem Doktor Vielbrunn vom Schloß Kontakt aufzunehmen.
    Es war schon finster draußen. Das Sternbild der Schloßfenster schimmerte trübe durch neblig kalte Luft. Ich ging in verschiedene Lokale, trank ziemlich viel und aß ein paar Bratwürste. Ich kann mich nicht entsinnen, mich je so einsam gefühlt zu haben. Ich war in einem bösen Märchen, viel böser, als es sich die Brüder Grimm je hätten ausdenken können. Mehr denn je wünschte ich mir einen Freund in diesem Moment. Ich dachte an Ines, aber das war etwas anderes.
    In den Kneipen stellte ich mich an die Theke oder setzte mich in die Nähe eines Stammtisches und lauschte den Gesprächen. Nirgendwo fiel Derbachers Name, niemand kam auf den Mord zu sprechen. Ein Schweigen, das mir obszön vorkam. Nur vom Tankstellenunglück war die Rede. Dabei ging es um technische Einzelheiten, versagende Bremsen, Benzinpreise. Was mit der Umwelt geschehen war, interessierte niemanden.
    Schließlich landete ich im Kulturkaffee. Immerhin waren dort schon Derbachers Bilder ausgestellt gewesen, und es war anzunehmen, daß wenigstens hier über seinen Tod geredet wurde.
    Es war nur eine Gruppe Jugendlicher da. Sie redeten von einer Party, auf der sie sich bewußtlos getrunken haben wollten. Ich trank ein einheimisches Bier und einen Korn, dann stellte ich den Wirt mit dem Nietzschebart zur Rede.
    »Ein schreckliches Ereignis«, sagte er hölzern. »Ein so lieber Kerl, der Heinz.« Er zwirbelte seine bekümmert herabhängenden Bartspitzen.
    »Vermutlich rechtsradikale Skins von der Oberstadt. Hier unten gibt es keine Skins, aber oben, im Neubauviertel, da gibt es welche. Die Häuser so kahl wie die Schädel. Plattenbauweise, verstehen Sie.«
    »Sie sahen aber nicht wie Skins aus, sie hatten...«
    Er unterbrach mich: »Vermutungen helfen nicht weiter. Wir müssen davon ausgehen, daß vieles nicht in Ordnung ist. Die Menschen sind enttäuscht. Es gibt Spannungen. Den Heinz hat es wahrscheinlich nur aus Versehen getroffen.«
    Er ging in die Küche, um ein Steak zu braten. Ich legte einen Schein auf den Tresen und ging.
    Mein nächstes Lokal war ebenfalls ein Café. Auch dies ein Jugendtreff. Und fast noch mehr eine Zeitmaschine als das Kulturkaffee. Die Tür von Café Harmonie öffnen hieß, mitten in die Sechziger zu gelangen. Dieser Effekt einer Zeitreise wurde nicht nur durch die Leute, ihre Kleidung und ihr Gehabe bewirkt, sondern auch durch die Ausstattung, das Mobiliar. Alles hatte etwas muffig Schickes, bis hin zu den verspiegelten Wänden der Bar. Nierentischexistentialismus.
    Die Tische waren gut besetzt. Man unterhielt sich leise. Viele Pärchen, die Händchen hielten und über die neueste CD redeten. Die Popmusik war dezent, wobei mir auffiel, daß Paul Simon in diesem Ambiente wie ein Marsbewohner wirkte. Die Kellner gaben sich höflich und dezent wie in einem

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