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Blendwerk - Ein Piet-Hieronymus-Roman

Titel: Blendwerk - Ein Piet-Hieronymus-Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: PeP eBooks
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Ritzen des Rouleaus fiel.
    Vorsichtig schlüpfte ich ins enge Bett zu ihr. Sie war nackt. Ihr Körper strahlte eine Tierwärme aus, die mich sofort durchdrang. Sie grunzte im Schlaf und schlang die Arme um mich. Ihre Nähe tat mir wohl. Schon Zappa hatte mir gut getan. Das jetzt war noch besser.
    Ines tauchte ganz langsam aus ihrem Kinderschlaf auf. Sie knipste die kleine Nachttischlampe mit dem roten schiefen Stoffschirm an, setzte sich rittlings auf mich und begann, mich zu streicheln. Ihre Haare hingen strähnig in ihr Gesicht. Die Schminke um ihre Lippen war verschmiert. Ihr eines Auge war blau umrandet.
    Sie gab sich Mühe, mich zu stimulieren. Alles, was sie dabei tat, hatte etwas zugleich Routiniertes und Unbeholfenes. Dabei redete sie kein Wort. Ihr permanentes Lächeln wirkte wie eine Beschwörung, auch meinerseits kein Wort zu verlieren.
    Jede Berührung tat mir wohl. Meine Überreiztheit ließ nach. Das Bild des toten Malers begann zu verblassen. Ich weiß nicht, was Ines wirklich empfand. Vielleicht simulierte sie ihre Erregung nur. Aber ich glaubte ihr in diesem Moment. Ich schwamm in einer Flut der Hingabe und des Vertrauens, begann, sie ebenfalls zu streicheln, sie an mich zu ziehen und zu küssen. Natürlich wußte ich selbst in diesem Augenblick irgendwo im Hinterkopf, daß ich Ines und ihren Körper als Medikament benutzte, aber ich fühlte nichts Schales dabei. Es war mein Recht, so zu empfinden. Ich hatte es verdient, dies war ein Akt der Menschlichkeit, ein erstes Erinnern an das Märchen erwiderter Liebe seit langer Zeit.
    Als sie ermattet neben mir lag und ihren rechten Zeigefinger auf mir herumwandern ließ, fragte ich sie, wer ihr weh getan habe. »Dick«, sagte sie. »Du weißt doch, er ist eifersüchtig. Er hat was gemerkt. Ich war wohl nicht so nett zu ihm wie sonst.«
    Ich war ihr noch immer so nah, daß ich fast körperlich spüren konnte, wie sie log. Aber ich weigerte mich, in diesem Moment den Polizisten zu spielen. Ich massierte ihr den Nacken und küßte ihr lädiertes Auge. Ihre Wimpern kitzelten auf meinen Lippen. Die Tusche schmeckte nach Schuhcreme. »O Gott«, flüsterte ich ungläubig, »du bist mitten in einer Liebesgeschichte.«
    »Was hast du gesagt?« sagte Ines. »Du wirst doch nicht etwa romantische Gefühle haben.«
    »Natürlich nicht«, beeilte ich mich zu beteuern. »Kratz mich«, sagte sie und wandte mir den Rücken zu.
    Irgendwann schliefen wir ein. Ich lag an der Wand, Ines außen, ihr Arm über meiner Brust, ihr Oberarm pendelte ins Leere.
    Als ich erwachte, war von meiner Freundin nur noch der Geruch und, wie ich beim Waschen in dem winzigen Waschbecken feststellte, der Lippenstift überall auf meiner Haut geblieben. Ich suchte das Zimmer ab, ob sie nicht wenigstens einen Zettel hinterlassen hatte. Nichts. Aber ich bemerkte, daß meine Kamera geöffnet worden war. Der Deckel klaffte auf.
    Ich ging hinunter. Der Zigarrenqualm hing immer noch im Raum. Die Vertreter saßen alle einzeln an ihren Tischen, mit grauen, verschlossenen Gesichtern und köpften ungeschickt ihre Frühstückseier. In der Zeitung stand erwartungsgemäß noch nichts von dem Attentat.
    Um kurz vor elf verließ ich das Hotel. Schläfti stand schon vor der Tür. Es hatte die Nacht über geschneit und war glatt.
    Seit jenem schwierigen Ellbogenbruch, den ich mir damals in Lappland zuzog, bewege ich mich immer ein wenig ängstlich und ungeschickt in solchen Situationen. Schläfti schien es zu spüren und hakte mich unter. So sollte es immer sein, dachte ich: ein unheilbarer Invalide hilft einem geheilten.
     
    Die Auffahrt zum Schloß war sehr rutschig, aber Schläfti trat eine Spur für mich am Rand, dort, wo der Schnee sehr tief war. Ich hörte die Hunde und scharfe, trockene Schläge, wie wenn Holz gehackt würde.
    »Warst du schon bei Doktor Vielbrunn?« fragte Schläfti.
    »Nein. Aber ich habe von ihm gehört.«
    »Er ist der Archivar. Er weiß alles aus der Geschichte des Schlosses. Er wohnt auch da oben. Er hat immer das gleiche getan und immer gleich ausgesehen, solange ich mich zurückerinnern kann. Als Kinder haben wir ihn für einen echten Vampir gehalten. Du solltest nachher mit ihm sprechen.«
    Wir gingen durch das Torhaus. »Bleib einen Augenblick hier und mucks dich nicht«, sagte mein Freund mit wichtigvertraulicher Miene. Dann verschwand er in einem Seiteneingang. Es dauerte nicht allzulang, und er erschien mit einem großen, buckligen Mann mit dichten, grauen, gewellten Haaren und

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