Blessed - Für dich will ich leben (German Edition)
hämmerte es in meinem Kopf. Er wird dich verlassen.
Am Tag zuvor war es mir noch gelungen seine Worte auszublenden. Doch nun, als ich – allein mit mir selbst – wieder einmal bemerkte, wie schnell und tief ich mich in diesem Jungen verloren hatte, war ich nicht länger imstande mich weiter zu hintergehen. Denn eigentlich zweifelte ich nicht nur daran, dass Noahs Frage eine Theorie darstellte. Ich wusste bereits, dass mehr dahintersteckte, denn das hatte ich sofort in seinen Augen erkannt. Die Erinnerung an seinen traurigen Blick trieb einen eisigen Schauder über meinen Rücken hinab.
Er würde mich verlassen, früher oder später, dessen war ich mir mit einem Mal absolut sicher. Aber warum würde er gehen?
Wohin und weshalb? Und vor allem, wann? Wie viel Zeit blieb uns noch? Wie viel Zeit, ihn davon zu überzeugen, dass sein Platz an meiner Seite war? Warum wollte er weg? Wollte er überhaupt weg? Und wenn nicht, warum spielte er dann dennoch mit dem Gedanken? Oder waren seine Worte eine Metapher für etwas viel Schlimmeres? War er vielleicht ernsthaft krank?
Oh Gott, Noah , was ist nur los mit dir?
Panik kroch in mir empor, mein Herz raste wie verrückt. Mit zittrigen Fingern griff ich nach meinem Handy und suchte nach seiner Nummer. Im selben Moment klingelte es. Noah, zeigte das Display.
„Ja“, antwortete ich zittrig.
„Emily, ist alles okay?“ Er klang, als wäre er in großer Sorge.
„Hm -hm.“ Ich wusste, ich würde losheulen, müsste ich meine Stimme nur ein wenig mehr beanspruchen.
„Du bist nicht okay“, erklärte Noah energisch. Etwas polterte im Hintergrund, dann hörte ich ein metallenes Klackern und eine Tür, die lautstark zufiel. „Emily, rede mit mir! Was ist passiert?“, forderte er währenddessen.
„Ich ... ich ...“ Und schon flossen die Tränen. Eine weitere Tür wurde zugeschlagen, die Haustür. „Bist du zu Hause?“, fragte Noah.
„Hm -hm“, machte ich wieder.
„Dann bis gleich!“ Damit legte er auf.
Ich kam mir unglaublich belämmert vor. Ein Blick auf die Uhr verriet mir, dass er mich gerademal vor anderthalb Stunden hier abgesetzt hatte. Und jetzt fuhr er schon wieder los, nur weil ich heulte. Aber ich konnte es nicht ändern. Die Vorstellung, er könnte plötzlich, ohne jede Vorankündigung oder Erklärung, wieder aus meinem Leben verschwinden, brachte mich fast um den Verstand.
A uf einer Spannungsskala von 0 wie langweilig bis 10 wie mega-aufregend und spektakulär war mein Leben immer eine 4-6 gewesen. Durchschnittlich , mochten es die meisten nennen, ich bevorzugte ausgewogen .
Doch Noah aktivierte die Extreme, brach te meine Zeiger zum Ausschlagen und ließ die Nadel meines inneren Kompasses durchdrehen. Mit ihm erlebte ich eine nie gekannte innere Ruhe auf der einen Seite, denn noch nie zuvor hatte ich mich mit einem Menschen derart verbunden gefühlt. Andererseits brachte er mich zur Weißglut, ängstigte mich bis auf die Knochen und löste eine Sehnsucht in mir aus, die nicht von dieser Welt sein konnte.
Wenn das Liebe ist, wie ist die Menschheit dann so weit gekommen?
Ich atmete schwer und viel zu schnell.
Nur wenig später wurde die Klingel am Tor betätigt. Noah konnte das unmöglich sein. Seit unserem Telefonat waren nicht mal fünf Minuten vergangen, und die Fahrtzeit von seinem Elternhaus zu unserem betrug locker das Doppelte. Also blieb ich auf meinem Bett sitzen und versuchte weiterhin, mich zu beruhigen.
Ich hörte Stimmen im Hausflur, konnte aber nichts Konkretes verstehen. Dann lief jemand – auf keinen Fall Jason, denn dafür klangen die Schritte viel zu leise – die Treppe empor und schritt schnell und fest über den Korridor. Nein, das konnte unmöglich ...
„Noah!“, rief ich aus, als meine Zimmertür Sekunden später aufflog und er vor mir stand. „Wie bist du so schnell ...?“
Er war nicht blass, doch er hätte es sein müssen, so angstgeweitet, wie seine Augen auf mich herabblickten. „Was ist passiert? Warum bist du so aufgelöst?“, forderte er zu wissen, ohne meiner Frage Beachtung zu schenken. Mit nur drei großen Schritten war er bei mir und zog mich in seine Arme. Er umschloss mich fest, aber seine Finger bebten ein wenig. Sein Herz hingegen schlug ruhig und kraftvoll. Unbeirrt – wie immer.
„Ich bin so albern“, flüsterte ich und ließ den Tränen freien Lauf.
„Hm? Ich verstehe nicht“, gestand Noah. „Was meinst du damit, du bist albern?“
„Du hast gesagt, es wäre nur eine Theorie, aber ...
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