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Blessed - Für dich will ich leben (German Edition)

Blessed - Für dich will ich leben (German Edition)

Titel: Blessed - Für dich will ich leben (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Susanna Ernst
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ich dir nicht geben.“
    Seine Worte waren eindeutig; Noah wusste genau, wonach ich mich sehnte. Scham überkam mich und löste die strömende Hitze aus, die dieses Mal allerdings so schnell durch meine Adern schoss, dass mir einen Moment lang schwindlig wurde und bunte Lichter vor meinen Augen tanzten. Nicht schon wieder, bitte!
    Ich atmete tief durch und war erleichtert, als sich die trudelnden Funken auflösten. „Ähm ... Es ist zu früh, oder? Ich ... Es tut mir leid“, stammelte ich verlegen.
    Noah schüttelte den Kopf. „Nein, darum geht es nicht.“ Er erhob sich und wanderte halt - und ziellos durch sein Zimmer, ähnlich wie an unserem ersten Abend hier. Und irgendwie, so skurril das auch sein mochte, schöpfte ich Hoffnung aus Noahs Verzweiflung. Denn wie oft hatte ich mich schon geirrt, was seine Reaktionen anging? Vielleicht war wieder einmal alles ganz anders als ich es deutete. Vielleicht wollte er mich doch ebenso wie ich ihn – in jederlei Hinsicht.
    „Worum geht es dann?“, flüsterte ich.
    „Das habe ich dir gesagt“, beharrte Noah, den Blick starr auf seine Zehenspitzen gerichtet. Endlich blieb er stehen und sah mich an.
    „Ich kann nicht!“ Die Betonung lag dabei so eindeutig auf kann , dass ein will oder möchte ausschied. Nein, er konnte nicht – warum auch immer.
    „Hey, komm zu mir!“, forderte ich und streckte meine Arme nun doch nach ihm aus.
    Noah biss sich auf die Unterlippe, ließ die Hände, mit denen er sich mal wieder durch die Haare gefahren war, fallen und kam dann tatsächlich auf mich zu. Seufzend nahm er neben mir Platz.
    „Warum?“, fragte ich leise. Dabei legte ich meine Hand erneut auf seinen Brustkorb und drückte ihn mit sanfter Bestimmtheit zurück auf die Matratze. „Warum kannst du es nicht?“
    Noah schlug die Augen nieder und schüttelte kaum wahrnehmbar den Kopf. Meine Finger lagen noch immer über seinem Herzen.
    „Spürst du das denn nicht?“, entgegnete er leise.
    „Ich spüre nur dein Herz“, erwiderte ich gedankenlos. Sofort schoss sein Blick wieder hoch; er sah mir direkt in die Augen –
    Dein Herz, Noah?
    – ... und nickte. Irgendwie spürte ich, dass er nicht mehr dazu sagen würde, hoffte im selben Moment jedoch, seine Grenzen auf andere Weise erweitern zu können.
    „Es schlägt immer so wie jetzt“, begann ich meine Beobachtungen zu schildern. „Ruhig und ... beinahe mechanisch gleichmäßig. Unfassbar exakt.“
    Noahs Blick vertiefte sich, ermutigte mich.
    „Deine Atmung beschleunigt sich, und auch der Rest deines Körpers reagiert auf deine Gefühle, wie jeder andere, würde ich sagen. Aber dein Herz ... bleibt immer ruhig. Als würde es vollkommen autonom schlagen, ohne Verbindung zu ... den äußeren Umständen. Aber wie kann das sein?“
    „Hm“, machte Noah nur und legte den Kopf schief. Sein Mund verzog sich; es wirkte bedauernd.
    Und in diesem Moment verstand ich. Zumindest begriff ich die Regeln. Er wollte es mir sagen, durfte aber nicht, dessen war ich mir mit einem Mal vollkommen sicher. Ich verstand nicht, warum das so war, wer diese Schweigeregel aufgestellt hatte und warum Noah sich so ergeben daran hielt, wo ausgerechnet er doch über Jahre hinweg so unbeugsam gewirkt hatte. Dennoch war ich mir sicher, in diesem einen Punkt richtig zu liegen: Er wollte es mir sagen.
    Plötzlich kam ich mir beobachtet vor, als hätte ein Unbekannter Noahs Zimmer verwanzt, um uns zu belauschen. Als müss te ich meine Worte sorgfältig und sehr bedacht wählen – oder gar nicht erst aussprechen.
    Gegenfragen, Noah . Sie sind manchmal die besseren Antworten.
    Er sah mich an und blinzelte oft hintereinander, schien angestrengt nachzudenken.
    „Nehmen wir an, du lägst richtig“, sagte er endlich. „Führe den Gedanken weiter. ... Anatomisch betrachtet, zu welcher Erkenntnis würde dich das bringen?“
    Anatomisch? ... Alles klar, gib mir einen Moment!
    In meinem Kopf baute sich ein Bild aus meinem Biologiebuch der sechsten Klasse auf, das mich damals besonders fasziniert hatte. Es zeigte das Herz, sowie die rot und blau eingezeichneten Blutbahnen, die sich bis in die äußersten Gliedmaßen unseres Körpers hinein verästelten und ihn mit Sauerstoff und sonstigen Nährstoffen versorgten.
    Dann verschwamm das Bild und wurde durch Noahs Gesicht ersetzt. In meiner Erinnerung sah ich ihn noch einmal so, wie er nach meinem Unfall ausgesehen hatte. Mit weit aufgerissenen Augen blickte er auf mich herab. Entsetzt, schockiert, verängstigt.

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