Blessed - Für dich will ich leben (German Edition)
mir selbst. Ja, ich sprach den Gedanken aus, denn nur so entfaltete er seine Bitterkeit vollständig.
Sobald Joes und Maries Stimmen verstummten, erhob ich mich. Den Gedanken, mich Noahs T -Shirts zu entledigen, verwarf ich, sobald meine Bewegungen seinen unverwechselbaren Geruch aufwirbelten, der im Stoff seines Shirts eingewebt zu sein schien. Ich inhalierte mit geschlossenen Augen und seufzte wehmütig. Das Ding bleibt an, basta! Also streifte ich mir meine Socken und die Jeans über, verknotete Noahs Shirt über meiner Hüfte und stopfte meine Bluse in den Rucksack.
Mit schwerem Herzen schritt ich die Treppe hinab – auf Zehenspitzen –, nur, um im Eingangsbereich unvermittelt einem neuen Problem gegenüber zu stehen: der Alarmanlage, die Joe und Marie wohl bei ihrer Rückkehr betätigt hatten . Die rote Lampe leuchtete über der Haustür, eine weitere blinkte an der schmalen Zahlentafel, die unterhalb des Schlüsselkastens angebracht war.
Gefangen im Haus des unwilligen Freundes. Na toll!
Verzweifelt und ratlos ließ ich mich auf einer der unteren Treppenstufen nieder, winkelte die Beine an und umschloss die Knie mit meinen Armen. Nur Sekunden später erklang ein mechanisches Surren über mir, das mich aufschrecken ließ.
Es war Adrian, der sich lautlos in seinen Lift gehoben hatte und nun zu mir herunterfuhr. Den besorgten Blick auf mich gehaftet, stumm. Ich stand auf und sah ebenso still zu, wie er seinen Erdgeschoss-Rollstuhl zurechtdrehte und sich geschickt aus dem Sitz des Lifts hinüberhievte. Es war klar, dass mich meine rot geschwollene Nase und die verquollenen Augen bereits verraten hatten, aber Adrian besaß die Güte, mich nicht auf mein verheultes Äußeres anzusprechen.
Er trug kurze graue Shorts und ein verwaschenes T -Shirt. Mein ewig neugieriger Blick blieb an seinen unglaublich dünnen Unterschenkeln hängen, die ich noch nie zuvor unverhüllt gesehen hatte. Normalerweise steckten Adrians Beine in leichten, langen Hosen.
„Soll ich die Tür für dich öffnen?“, fragte er – so leise, dass ich es beinahe überhörte.
„Ähm ... woher weißt du ...?“
Er deutete auf meinen Rucksack, ein müdes Lächeln umspielte seine Mundwinkel. „Du sitzt hier mitten in der Nacht, allein, auf gepackten Sachen vor unserer verschlossenen Haustür, Emily. Es ist ziemlich offensichtlich, dass du gehen willst.“
Nun, das hatte ich nicht gemeint. Eigentlich interessierte mich eher, wie zum Teufel er mich hatte hören können, wo ich mich doch so sehr bemüht hatte, das Haus leise und unbemerkt zu verlassen.
Und überhaupt, warum schlief er nicht?
Adrians Blick ließ mich diese Fragen verwerfen. Er wirkte zutiefst betrübt.
„Was war es bei dir?“, fragte ich unter einem Seufzer. „Kathy?“
Er schüttelte den Kopf. „Nein. Bei uns ist alles okay. Aber ... was ist mit Noah und dir los?“
„Hast du uns gehört?“, entgegnete ich und kämpfte im selben Moment schon wieder gegen meine dummen Tränen an.
Adrian beantwortete meine Frage nicht. „Noah ist aus dem Haus gestürmt, nicht wahr?“, sagte er stattdessen.
Ich nickte. Adrian drehte sich in seinem Rollstuhl hin und her und nagte an seiner Unterlippe; seine Augen verengten sich. Ich war mir sicher, hätte er seine Beine noch normal benutzen können, wäre er in diesem Moment von einem Fuß auf den anderen getreten.
„Willst du ... vielleicht reden?“, fragte er schließlich und deutete mit dem Kinn zurück in Richtung Obergeschoss. Ich überlegte eine Weile, wog das Für und Wider gegeneinander ab und nickte schließlich, als mir klar wurde, dass ich das wirklich wollte. Und niemand wäre für dieses Gespräch besser geeignet gewesen als Adrian. Zu Hause, in meinem jetzigen aufgewühlten Zustand, wäre an Schlaf ohnehin nicht zu denken gewesen.
„Also, warum ist er getürmt?“, fragte Adrian ohne weitere Umschweife, ehe ich die Tür hinter uns zugezogen und mich zum ersten Mal in seinem Zimmer umgesehen hatte. Wie in Noahs Notizen beschrieben, war Adrians Raum noch größer als seiner oder Lucys. Die Wände erstrahlten in einem frechen Hellgrün ( mit Sicherheit Lucys Idee ), die Möbel waren einheitlich hell gebeizt, an der Dachschräge hingen eine Menge Sportposter ( mit Sicherheit nicht Lucys Idee ) und in einer Ecke – natürlich – der obligatorische Basketballkorb. Der Raum passte durch und durch zu Adrian, der seine Frage mit einer einladenden Geste begleitete. Ich folgte seiner stummen Aufforderung und nahm auf
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