Blessed - Für dich will ich leben (German Edition)
der Kante des breiten Bettes Platz.
„ Ich wollte Antworten von ihm, die er mir scheinbar nicht geben konnte“, begann ich zögerlich und bemerkte im selben Moment, wie erschöpft ich wirklich war.
Adrian sah mich lange und eindringlich an. Er saß nur etwa einen halben Meter von mir entfernt und drehte den Rollstuhl seitlich, um die Distanz zwischen uns so gering wie möglich zu halten. „Du wirst Geduld haben müssen, Emily. Ich weiß, wie wichtig du ihm sein musst, weil ... es das erste Mal überhaupt ist, dass er jemanden so nah an sich heranlässt.“
Ich seufzte. Ja, natürlich stimmte das. Vermutlich überforderte ich Noah tatsächlich. Aber ... „Ich habe ihn nichts zu seiner Vergangenheit gefragt, weißt du?“
Adrians Augen verengten sich. „Nicht?“
„Nein! Es war mehr ...“ In diesem Moment geschah etwas Eigenartiges. Obwohl mich Noah nie gebeten hatte, meine Beobachtungen anderen gegenüber unerwähnt zu lassen, konnte ich mich jetzt, wo sich zum ersten Mal die Möglichkeit dazu auftat, nicht dazu durchringen sie zu teilen. Es fühlte sich wie ... ja, wie Verrat an, wann immer mir die Worte von der Zunge zu hüpfen drohten. Schließlich schluckte ich sie herunter und schüttelte den Kopf. „Es ging eher um ... unsere Zukunft“, sagte ich vage. Das widersprach zumindest nicht der Wahrheit und schien Adrian als Stichpunkt auszureichen. Ein Beweis dafür, dass es durchaus Unterschiede zwischen ihm und seiner Zwillingsschwester gab.
„Ich könnte mir vorstellen, dass Noah extreme Bindungsängste hat. Er hat sich noch nie ... zugehörig gefühlt. Vermutlich macht ihm diese neue Erfahrung eine Höllenangst. Besonders, wenn er das Gefühl gerade zu schätzen lernt und dann die Panik einsetzt.“
„Welche Panik?“, hakte ich nach.
„Diese Zugehörigkeit und Nähe wieder zu verlieren.“ Adrian zuckte mit den Schultern. „Es klingt unlogisch und widersinnig, aber ich denke, das könnte seine Zurückhaltung und ... ja, wahrscheinlich auch seine Flucht begründen. Meinst du nicht?“
Ich dachte lange nach. Und je länger ich in meinen Gedanken versank, desto wahrscheinlicher erschien mir Adrians Vermutung.
„Vielleicht, ja “, sagte ich schließlich und schenkte ihm ein vorsichtiges Lächeln.
Adrians Anwesenheit hatte sich von unserer ersten Begegnung an immer gut angefühlt. Wirklich, ich verstand Kathy absolut. Auch wenn ich nicht so für ihn empfand wie sie, war mir Adrian sehr wichtig. Während dieses vergangenen Abends am Strand war mir sein Fehlen regelrecht gegen den Strich gegangen. Ständig hatte ich Ausschau nach ihm gehalten, weil es sich beinahe unnatürlich anfühlte, dass er nicht bei uns war. Ohne ihn war unsere kleine Gruppe nicht komplett, fehlte etwas ganz Entscheidendes.
„Noa h ist immer davongerannt, Emily“, erklärte er in diesem Moment – ahnungslos, wie sehr sich meine Gedanken gerade um ihn drehten. „Ich weiß, dass es schwer für dich ist, das einfach so hinzunehmen, aber du solltest wissen, dass diese Art Flucht schon immer ein Teil von ihm war.“ Er sprach leise aber eindringlich, sah mich tief an und strahlte eine solche Ruhe dabei aus, dass sich die aufgeschobene Müdigkeit mit einem Mal bleiern über mich legte, mir ein herzhaftes Gähnen und Adrian ein nachsichtiges Schmunzeln entlockte. „Leg dich doch hin“, schlug er vor, was ich ergeben tat, kaum dass er die Worte ausgesprochen hatte.
„Wie meinst du das, sie war immer schon ein Teil von ihm?“, fragte ich und zog die dün ne Bettdecke über meine Beine. Wieder zuckte Adrian mit den Schultern. „So, wie ich es sage. Wann immer ihm eine Situation nicht gepasst hat, wann immer etwas anstand, das er ... ja, ich vermute fürchtete , ist er aus dem Haus gestürmt und für mehrere Stunden nicht zurückgekehrt. Bis jetzt macht er das sehr oft, besonders nachts.“
Erstaunt sah ich Adrian an. Er wusste davon?
„Unsere Eltern sind fast verrückt geworden, als es zum ersten Mal geschah. Aber mit der Zeit lernten wir damit umzugehen. Noah braucht diese Auszeit mehr als andere, die mit sich und ihrem Leben im Reinen sind.“
Ich liebte Adrian für die Art und Weise, wie er Noah kannte, akzeptierte und ... vor mir in Schutz nahm, wie mir in diesem Moment bewusst wurde. Um ihm zu bedeuten, dass das nicht nötig war, schenkte ich ihm meinen wärmsten Blick – zu müde, mich noch länger verbal zu artikulieren. Schon übermannte mich ein neues Gähnen und ließ Adrian auflachen. „Schlaf!“,
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