Blessed - Für dich will ich leben (German Edition)
anzuwenden. Ich konnte mich nur soweit ʼbeamenʼ, wie ich es nannte, wie ich sicherstellen konnte, dass niemand davon Zeuge wurde. Niemand durfte mich sehen, wenn ich an dem Ort auftauchte, den ich mit meinem Geist anpeilte. Doch inmitten dieser gigantischen Innenstadt, noch dazu zur beginnenden Rush-Hour, konnte ich das unmöglich gewährleisten.
Allerdings ...
I n weniger als einer halben Stunde würde die Dämmerung der Nacht gewichen sein. Und dann werden die Karten neu gemischt.
XXXII.
Leises Brummen
Geflüster
Stille
Flackernde Lichter
Vorbeirauschende Häuserfassaden
Dunkelheit
Hupen
Fluchen
Ein ärgerliches Zischen: „Pscht!“
Stille
Die Hinterköpfe zweier Männer
Ledersitze
Getönte Scheiben
Dunkelheit
Der Geruch von Leder und Politur
Ein dumpfer Schmerz in meinem Oberschenkel
Meine Hände, die sich irgendwie taub anfühlten ...
Schwere – bleiern, tief und verlockend friedlich – zog mich immer wieder erfolgreich mit sich. Keiner der Eindrücke, die ich gewann, wenn ich die Oberfläche streifte, schaffte es, mich zum Bleiben zu bewegen. Sie ergaben nicht mal einen Sinn. Wer waren diese Männer? ... Dieser Wagen? Und warum konnte ich meine Hände nicht bewegen?
Ich wollte nur schlafen, war so unglaublich müde. Aber sobald ich meine Augen wieder schloss, erwartete mich Noahs Gesicht. Ängstlich, flehend, verzweifelt – als hinge sein Leben davon ab, mich nicht erneut abzudriften zu lassen.
Seine schönen Augen schimmerten feucht. Sie schwammen förmlich in Tränen, die er krampfhaft zurückzuhalten versuchte. Chancenlos, wie er wohl feststellte, denn irgendwann senkte Noah den Blick und ließ die Tränen schwer und angereichert mit all seinem Leid einfach so von seinen langen Wimpern tropfen. Warum, um alles in der Welt, war er so verzweifelt?
Gerade wollte ich ihn fragen, da löste sich sein schönes Gesicht auf, einfach so. Eine Fata Morgana, ein Trugbild. Zweifellos das schönste aller Zeiten, aber eben ... ein Trugbild. Mein Geist spielte mir einen Streich. Oder mein Herz?
Wo war Noah überhaupt? Warum war er nicht bei mir? Und wo war ich?
Sein Bild wich vagen Bruchteilen . Ja, Fetzen meiner Erinnerung, die vor meinem geistigen Auge aufblitzten: die breite schweißbedeckte Stirn des Sicherheitsmannes, das Flackern seiner Taschenlampe, Noahs flehende Augen, das metallene Klack der zufallenden Notfalltür, das Surren des sich öffnenden Tores, die Spritze, der Schmerz, die Erkenntnis ...
Für eine Sekunde – unmittelbar nachdem mich die Erinnerungen förmlich überrollt hatten – wusste ich wieder genau, was geschehen war. In meinem Schock versuchte ich mich aufzurichten, aber mein Körper blieb schwer und reglos liegen, er gehorchte mir nicht.
Ich öffnete die Augen, nur für einen kleinen Moment . Schon wusste ich nicht mehr, was mich dazu bewegt hatte, und ich versackte erneut in tiefer Dunkelheit.
Sekunden später (oder waren es Stunden?) hörte ich ein weit entferntes, leises Jammern. Als ich endlich realisierte, dass es mein Jammern war, verbot ich mir jeden weiteren Laut.
Warum wein te ich? Schmerzen? ... Nein!
Nur meine Hände ... und dieser dumpfe Druck in meinem Oberschenkel ...
Wieder sackte ich ein Stück tiefer.
Mein Magen zog sich zusammen, ehe ich verstand warum.
Dieser Geruch! ... Minze und Light-Zigaretten.
Der Atem eines Fremden.
Atem, der mir Angst einflößte und das Bild eines schwitzenden uniformierten Man nes vor meinem inneren Auge aufblitzen ließ.
„Sie wir d wach“, sagte eine raue Stimme.
Dieser Geruch ...
„Das kann nicht sein!“, befand eine zweite, höhere Männerstimme.
Noch ein Fremder ... Wo bin ich?
„Und wenn doch? Wo ist der Elektroschocker?“
„Ernsthaft? Du willst das Ding benutzen? Scheiße! Im Handschuhfach. Aber nimm ihn nur wennʼs unbedingt sein muss, hörst du? Und jetzt lass mich endlich in Ruhe fahren!“
Wieder wurde ich schwerer, versank im Nebel meines erschlafften Bewusstseins. Doch dieses Mal erwartete mich nicht die alles betäubende Ruhe.
Du bist entführt worden!, schrie es stattdessen in mir. Diese beiden Männer haben dich entführt.
Meine Atmung wurde flacher unter dem beängstigenden Gedanken, mein Herzschlag beschleunigte sich spürbar. Ein stechender Schmerz raubte mir schließlich die Luft zum Atmen und löste den Reflex aus, mir die Hände auf die Brust pressen zu wollen. Doch ich konnte sie nicht bewegen. Meine Finger ...
Endlich begriff ich, warum
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