Blessed - Für dich will ich leben (German Edition)
rannte an ihm vorbei und schrie den erstbesten Sicherheitsmann an, den er zu Gesicht bekam.
„Als o stimmt es?“, brüllte er. „Jemand hat mein Mädchen entführt? Hier laufen zwanzig von euch uniformierten Lackaffen herum und ihr schafft es trotzdem nicht, auf meine Kleine aufzupassen?“
Zwei Polizisten eilten dem sichtlich verdatterten Sicherheitsmann zu Hilfe. Sie hatten Mühe, sich mit ihren beschwichtigenden Gesten und Worten Gehör zu verschaffen; David war außer sich.
Und als ich Zeuge wurde, wie dieser sonst so ruhige und gefasste Mann seine Beherrschung gegen blanke Panik und blinde Wut eintauschte – krank vor Sorge um seine Tochter, die unter meinem Schutz stand –, erwachte ich endlich.
Michael hatte mich nie belogen. Lügen waren ein absolutes No-Go unter unseresgleichen. Und er hatte gesagt, ich wäre bestens ausgestattet, um entsprechend zu reagieren, sollte es von jetzt auf gleich so weit sein.
Nun, es ist soweit.
„Ich muss los “, sagte ich leise – wildentschlossen, den momentanen Trubel für meine unbemerkte Flucht zu nutzen. Schnell zottelte ich das Hemd aus meiner Hose, streifte die Krawatte ab und schmiss sie auf den Boden, zu meinem Jackett. Eleganter Ballast, der meine Bewegungsfreiheit einschränkte, war jetzt nicht von Nutzen.
„Du willst sie suchen?“, flüsterte Adrian – so leise, dass ich es mit Menschenohren vermutlich nicht einmal gehört hätte. Dennoch nickte ich.
„Komm mit mir!“, bat ich ihn aus einer Intuition heraus, die ich selbst nicht begriff.
Ich hätte schwören mögen, in Adrians Augen ging in diesem Moment die Sonne auf. Das warme Braun erhellte sich um etliche Nuancen und strahlte mir beinahe bernsteinfarben entgegen, bevor sich sein Mund verzog und er bedauernd auf seine reglosen Beine deutete. „Lauf, Noah!“, sagte er nur, „Ich bin bei dir.“ Damit tippte er sich gegen die Schläfe.
Ich kam weder dazu, mich über seine Geste, noch über sein unerschöpfliches Vertrauen zu wundern. Nur am Rande meines Bewusstseins nahm ich wahr, dass er nicht einmal versuchte mich aufzuhalten.
Im Hintergrund überschlugen sich die Ereignisse und lenkten meinen Fokus für weitere kostbare Sekunden ab, bis ich das Chaos endlich erfolgreich ausblendete, mich abwandte und losstürmte. So recht wusste ich selbst nicht, wohin ich wollte. Hauptsache raus!
Ich lief über den breiten Korridor, durchquerte das Entree, warf mich gegen die Schwingtür. Rempelte Sam an, der mir nur verwundert nachblickte, und rannte über eine Querstraße zum Hintereingang des Kinos. Vor dem stählernen Tor blieb ich stehen und sah mich um. Rechts oder links, wo mochten sie hingefahren sein? Ich wusste nun, welchen Tunnel sie passiert hatten, aber wo der sich befand war mir nicht klar.
Wie aus dem Nichts erschien eine Karte von Manhattan vor meinem geistigen Auge. Michael!
Ich hatte ihn in diesem Moment tatsächlich so weit aus meinem Bewusstsein verdrängt, dass mich seine Einspielung für Sekunden aus der Bahn warf, bis ich endlich begriff. Stumm – wofür ich ihm wirklich dankbar war – markierte er mir das Portal des Midtown-Tunnels, sowie meinen derzeitigen Standort.
Während ich versuchte, mir möglichst schnell den Weg einzuprägen, setzten sich meine Beine schon in Bewegung. Meine Sinne waren geschärft und sehr sensibel, mit Michaels Kräften verfügte ich ohnehin über einen ausgesprochen guten Orientierungssinn. Was jedoch in diesem Moment geschah, als ich mit meiner gesamten Konzentration versuchte, mir den Weg zum Tunnel so lebhaft wie nur irgend möglich vorzustellen, stellte auch für mich eine Premiere dar. Plötzlich lief ich – nur in meinem Geist, natürlich – wie im Zeitraffer durch die Straßen und sah markante Merkmale der Stadt, die mir den realen Weg weisen konnten. Sich diese Merkmale einzuprägen, anstatt sich mithilfe der Karte durch die Straßen hangeln zu müssen, ersparte unheimlich viel Zeit. Es war wie beim Autofahren. War ich eine Strecke einmal selbst abgefahren, erkannte ich sie immer wieder.
„Wow!“, entfuhr es mir.
„Sag ich doch“, murmelte Michael flüsterleise . „Bestens ausgerüstet.“
„Ruhe!“, befahl ich – unwillig, jegliche Art der Ablenkung zu dulden.
„Das ist mein Junge“, sagte er nur noch und befolgte dann meine Aufforderung.
Leider gab es keine Chance, die neue Fähigkeit, die Michael mir in jener Nacht auf den Klippen verliehen und mit der ich mich inzwischen vertraut gemacht hatte, hier und jetzt
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