Blessed - Für dich will ich leben (German Edition)
von Sicherheitsmann seinen perversen Plan hatte fallenlassen müssen. Emily war nichts geschehen – und das würde sich nun, wo ich endlich bei ihr war, auch nicht mehr ändern. Niemand würde ihr etwas antun; alles würde gut werden, dessen war ich mir für die Länge eines sehr überfälligen, tiefen Atemzugs sicher.
Doch dann bog ein einsamer Wagen in die lange Straße ein und verlangsamte seine Fahrt zunehmend, je näher er dem alten Gebäude kam, auf dessen Dach ich mich beim ersten Aufblitzen der Scheinwerfer schnell niedergekauert hatte. Der starke, kühle Nachtwind ließ das Metallfass, das ich umgestoßen hatte, auf dem Dach hin und her rollen; rostig-ölige Flüssigkeit suppte bei jeder Umdrehung aus der kleinen Öffnung und bildete eine stinkende Pfütze auf dem Beton.
Unter mir klingelte ein Handy, nur einmal.
„Jim ist da. Öffne das Tor!“, schnauzte der Sicherheitsmann seinen Komplizen an, der sich postwendend in Bewegung setzte, die Halle verließ und das blickdichte, hohe Metalltor zum Hof der Lagerhalle öffnete. Die Scharniere quietschten ohrenbetäubend durch die Stille der Nacht, sie brüllten förmlich nach Öl.
Über die gemauerte Begrenzung des Flachdaches hinweg, lugte ich vorsichtig nach unten in den Hof. Ein dunkler Kombi fuhr durch das Tor, der Chauffeur öffnete die Fahrertür. „Jim, hi!“, begrüßte er den vermeintlichen Drahtzieher der Entführung mit deutlichem Respekt in Stimme und Haltung.
D ann, endlich, stieg er aus, dieser mysteriöse Jim ... und gab eine ganz und gar nicht mysteriöse Figur ab. Er war nicht sehr groß, hatte einen leichten Bauchansatz und trug Vollbart. Der erste Eindruck, den ich von ihm gewann, war alles andere als angsteinflößend. In seinem Anzug und dem blütenweißen Hemd, das in meinen Augen förmlich durch die Nacht strahlte, wirkte er wie der nette, seriöse Banker von nebenan. Abgesehen davon, konnte ich mich des Eindrucks nicht verwehren, ihn irgendwo schon einmal gesehen zu haben ...
„Brad !“, begrüßte er seinen Mann und klopfte ihm wohlwollend auf die Schulter. „Gut gemacht, Junge! Sehr gut. In einer halben Stunde bekommst du deine Belohnung. Dann hast du für alle Zeiten ausgesorgt. Und jetzt bring mich zu Daves Mädchen.“
Brad nickte hastig und setzte sich stumm in Bewegung, während Jims Worte bei mir nachwirkten. Etwas an der Art, wie er Daves Mädchen gesagt hatte, störte mich ganz ungemein. Er sagte es so, als würden er und Emilys Dad sich kennen. Ja, beinahe so, als wären sie Freunde. Abgesehen davon sprach er mit einem starken englischen Akzent. Ähnlich wie Em und ihre Familie.
Der Sicherheitsmann , den ich nur über Emilys Gedankenfetzen wahrnahm, zerrte derweil an ihr herum und setzte sie aufrecht auf ihre Holzkiste. Grob fegte er die einzelnen Haarsträhnen, die sich aus ihrer eleganten Frisur gelöst hatten, aus ihrem Gesicht und streifte sie hinter ihre Ohren zurück, als wollte er Jim auf den ersten Blick beweisen, dass sich Emily in einem tadellosen Zustand befand. Einwandfreie Ware, ordnungsgemäß übergeben. Dieser Typ widerte mich zunehmend an.
Em weinte. Still und erschöpft gewährte sie dem Fluss ihrer Tränen freien Lauf. Ungehindert lief das warme, salzige Nass aus ihren Augen. Sie zitterte, ihre Beine schmerzten, und in ihren Handgelenken, die unter den Fesseln eingeschlafen waren, prickelte es wie durch tausend kleine Nadelstiche. All das fühlte ich mit ihr, ebenso wie ihre Verzweiflung und Hilflosigkeit. Allerdings wurden die Eindrücke immer wieder unterbrochen, wie die Geräusche einer instabilen Telefonverbindung. Mein armes Mädchen war so erschöpft. Em wollte mich zwar eindeutig teilhaben lassen, schaffte es aber kaum noch, ihre Gedanken ausreichend zu bündeln und zu fokussieren.
Jim lief neben Brad her; mit großen Schritten näherte er sich Emily und dem Sicherheitsmann, der den Weg mit seiner Taschenlampe ausleuchtete. Sobald sie die Halle betraten, sah ich die beiden Männer nur noch als schwarze Silhouetten – durch Emilys schwimmende Augen, mit denen sie vergeblich versuchte, in dem fahlen Licht mehr als nur das zu erkennen. Noch einmal rief sie nach mir und flehte mich an, ihr doch endlich zu helfen. Es brachte mich beinahe um den Verstand, dass sie meine Nähe nicht spürte. Andererseits stellte ihre direkte Ansprache zumindest kurzfristig eine ununterbrochene Verbindung zwischen uns sicher.
A ls sich in der schwarzen, tränenertränkten Silhouette des unscheinbaren Mannes
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