Blessed - Für dich will ich leben (German Edition)
den Mund verklebte.
„Noah, bitte! “, flehte sie stumm. „Wo bist du? Dieser Irre ... ich weiß nicht, was er vorhat. Aber ... es geht ihm nicht um das Lösegeld, Noah. Es ist ... eine Art privater Rachefeldzug. Er will öffentliche Aufmerksamkeit und vor allem Ruhm, egal welcher Art. Die Menschen sollen endlich erfahren, wer er ist.“
Ja, all das hatte ich auch genauso verstanden. Und die Erkenntnis hatte mich in eine Art Schockstarre versetzt, aus der ich mich erst in diesen Sekunden wieder befreien konnte. Ich wollte Emily in meine Arme schließen und ihr versichern, alles würde gut werden. Aber Fakt war, dass ich noch immer auf diesem verdammten Dach hockte, während sie unmittelbar vor Jims gezückter Waffe stand.
Während ich mich über das Dach beugte und den schmalen Hinterhof der Lagerhalle anpeilte, blitzschnell dort auftauchte und verzweifelt nach einem Zugang auf dieser Seite des Gebäudes suchte, den es nicht gab, hörte ich, dass Jim die beiden Männer anwies, sein Auto zu nehmen. Vermutlich, um zu dem vereinbarten Ort der Lösegeldübergabe aufzubrechen. Mein Fokus lag nicht mehr auf den beiden, sie waren nichts weiter als Jims Handlanger gewesen. In Bezug auf Emilys Sicherheit spielten sie keine weitere Rolle.
Zurück auf dem Dach, hörte ich im I nnenhof den Motor des Wagens starten; kurz darauf passierte er erneut das metallene Tor, das Jim hinter den Männern schloss aber nicht verriegelte. Er schien sich seiner Sache sehr sicher zu sein. Nun war er allein mit Em und konnte seinem eigentlichen Plan nachgehen – wie auch immer der aussah.
Emily, die allein auf ihrem Lager zurückgeblieben war, nutzte die Zeit, um ihren Gefühlen freien Lauf zu lassen. Sie schluchzte unter dem breiten Klebeband und unternahm zum ersten Mal einen hoffnungslosen Versuch, ihre Handfesseln zu lockern. Sie war so verzweifelt, so aufgelöst, dass ich es kaum noch aushielt, das so hautnah und doch hilflos mitzuerleben.
Jim kam zurück, bedachte sie im Vorbeigehen mit einem flüchtigen Lächeln, das ihr und mir eisige Schauder über die Rücken jagte, und steuerte dann zielsicher auf eine der großen Holzkisten zu, die im hinteren Teil der Halle standen. Emily beobachtete jeden seiner Schritte ängstlich, innerlich bebend. Ihn fürchtete auch sie über alle Maßen, so viel stand fest.
Jim hob den Deckel der Kiste ab und entnahm ihr eine riesige Röhre. Erst durch Emilys Gedanken erkannte ich, worum es sich handelte.
„ Ein Spotlight, Noah.“
Jim holte auch einen großen Ständer aus derselben Kiste und baute das Teil mit geschickten Handgriffen am entgegengesetzten Ende der Halle auf, unmittelbar neben dem Eingang. Em ließ ihn nicht mal für den Bruchteil einer Sekunde aus den Augen. Beobachtete mit Schrecken, wie routiniert er sich daran begab, die riesige Leuchte zu verkabeln und auf die Mitte der Halle auszurichten. Jim pfiff und schien die Ruhe gepachtet zu haben, während Emily und ich uns voller Furcht fragten, was – in Gottes Namen – er im Sinn führte.
„Lasst Gott da lieber raus, Junge!“
„Michael, gibt es diese Gegenseite wirklich? Kämpfen wir nicht nur gegen Jim, sondern gegen ...“ Ich wagte es nicht, weiterzusprechen.
„Dieser Kampf währt schon so lange wie ich denken kann“, erwiderte Michael traurig. Auch wenn ich die großen Zusammenhänge noch längst nicht begriff, war mir die Schwere seiner Worte Bestätigung genug.
Die Kiste war inzwischen leer. Jim öffnete eine zweite und zog eine dicke, rote Rolle hervor. Emily und ich tappten für einige Sekunden im Dunkeln, erkannten nicht, was es mit dieser Rolle auf sich hatte, bis Jim sich erneut dem Eingang näherte und sie vor der schweren Metalltür ablegte. Dann verpasste er ihr einen kräftigen Tritt und entrollte somit ... einen roten Teppich, der dem glich, über den Emilys Vater wenige Stunden zuvor, bei der Premiere seines Films, geschritten war.
Jim lächelte zufrieden, während Emily – und damit auch mich – ein frostiges Gefühl packte und durchschüttelte. Als er den Deckel einer dritten Kiste liftete, traf mich die Erkenntnis wie ein Hammerschlag:
Eine Kamera. ... Dieser Mann ist vollkommen durchgedreht. Er ist verrückt.
„Er inszeniert das ganze Ding, Noah“, erreichten mich Emilys Gedanken nur einen Augenblick später. Ihre imaginäre Stimme bebte, war kaum mehr als ein banges Flüstern.
Jim zog die große Kamera hervor und begann auch sie zu verkabeln. Dann trug er die leere Kiste neben den Eingang,
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