Blick in Die Angst
Er wurde eine Meile weit fortgebracht und dann ausgesetzt, danach konnte er zusehen, wie er in die Stadt kam.
Aaron rief eine kleine Gruppe ins Leben, die er die Wächter nannte. Nachts patrouillierten sie in der Kommune, achteten auf wilde Tiere und passten auf, ob irgendjemand versuchte, unsere Vorräte zu stehlen. Das war besonders wichtig, da wir angefangen hatten, Marihuana und Magic Mushrooms zu ziehen. Robbie war ganz begeistert, als er zusammen mit seinem Freund Levi für diese Aufgabe ausgewählt wurde.
Die Frauen hatten nicht viele Funktionen inne – die meisten kümmerten sich um die Kinder, kochten und arbeiteten auf den Feldern oder in den Gewächshäusern. Aber sie arbeiteten schwer, und unsere Mutter bekam braune, sehnige Arme und raue Hände. In diesem Frühjahr bekam ich sie immer weniger zu sehen. Ende April beschloss Aaron, dass alle Kinder über fünf Jahren in separaten Hütten untergebracht werden sollten, neben einem weiteren kleinen Gebäude, das als Schule diente. Sie sollten gemeinsam aufgezogen werden. Er sagte: »Kinder gehören allen. Wir alle sind ihre Väter und Mütter.«
Ein paar Eltern zögerten, aber Aaron erklärte, dass es notwendig für unser spirituelles Wachstum sei, da wir in Kontakt mit unserem wahren Selbst treten müssten und nicht länger unseren irdischen Bindungen anhaften dürften. Ich erinnere mich noch, wie verwirrt und beschämt ich war. Auch die letzten Eltern stimmten schließlich zu, aus Furcht, dass ihre Kinder sonst niemals perfekte spirituelle Erkenntnis erreichen, niemals die Seelenruhe erleben würden, nach der wir alle strebten.
Eines Morgens, als wir bereits mehrere Monate dort waren, rief Aaron uns nach dem Frühstück zusammen. Die Luft roch noch nach Kaffee und selbstgebackenem Brot, frischer Minze und süßen Früchten, doch ich hatte kaum etwas gegessen. Ich hatte mich an jenem Tag über meine Mutter geärgert. Ich hatte sie gefragt, ob ich eine meiner alten Schulfreundinnen besuchen dürfte, und sie war mit einem unbestimmten Lächeln davongeschwebt. »Wir haben jetzt neue Freunde«, sagte sie. »Sei einfach glücklich.«
Aaron warnte uns, dass es leicht sei, sich auseinanderzuleben, vor allem in einer großen Gruppe, und sagte, wir müssten eine Übung im »Teilen« abhalten, die uns einander näherbringen würde. Er bat uns, Briefe zu schreiben, in denen wir alle Missetaten und negativen Gedanken auflisten sollten, egal wie peinlich oder tief verborgen sie seien. Er sagte, es diene dazu, unsere eigene Wahrheit zu finden, unser tiefstes Inneres zu erkunden, und dass niemand je davon erfahren würde. Doch als wir fertig waren, hatte er eine weitere Vision. Wir mussten die Briefe vor der ganzen Kommune vorlesen, um alles Trennende loszulassen, auch wenn es nur Gedanken waren.
Als sich Protest regte, sagte er: »Es ist der einzige Weg, euch von eurer eigenen Vergangenheit zu befreien. Wer zu diesem Schritt nicht bereit ist, gehört nicht hierher.«
Die Menge verstummte. Niemand wollte fortgeschickt werden.
Aaron zeigte auf den jungen Mann, der sich um unsere Pferde kümmerte, und sagte: »Billy, ich weiß, dass du bereit bist.«
Mit rotem Kopf stand Billy auf und las seinen Brief vor. Er gab zu, dass er als Teenager mit seinem Cousin sexuell herumexperimentiert hatte und dass er immer noch von Männern träumte. Verlegen hörten wir zu, wie er sich stammelnd durch den Brief quälte, und warteten auf Aarons Reaktion. Als er die Arme ausstreckte und Billy umarmte, atmeten wir erleichtert auf. Andere Leute wagten sich vor, um ihre Sünden zu teilen, und jedes Mal lobte Aaron sie. Es war qualvoll. Die Leute schluchzten oder ließen stumm den Kopf hängen. Andere starrten mit glasigem Blick vor sich hin und wirkten völlig verstört.
Dann war ich an der Reihe.
Ich gab zu, dass ich heimlich mein Essen an die Tiere verfüttert und dass ich zornige Gedanken über andere Mitglieder hatte. Meine Hände zitterten, und ich weinte so heftig, dass ich nicht weiterlesen konnte. Aaron schnappte sich die Liste und las mein letztes Geständnis. Dann gab er mir den Brief zurück.
»Du bist noch nicht fertig.«
»Ich kann nicht. Bitte, ich will nicht.« Ich sah ihm in die Augen, flehte um Nachsicht, aber er blieb hart. Seine Miene zeigte nichts als Enttäuschung.
»Möchtest du nicht wie die Gruppe sein? Jeder hier teilt seine Sünden, und wenn du es nicht tust, zerstörst du unsere Harmonie.«
Ich blickte in die verstimmten Gesichter ringsum. Heidi
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