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Blick in Die Angst

Blick in Die Angst

Titel: Blick in Die Angst Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Chevy Stevens
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sagte ich: »Ich weiß, dass es weh tut und dass es Sie fast erdrücken muss, aber wir werden Sie durch Ihren Schmerz begleiten. Sie sind nicht allein.« Ich erklärte, dass ihre Eltern gewollt hätten, dass sie sich auf ihre Behandlung konzentrierte, und versicherte ihr erneut, dass sie in dieser schwierigen Zeit Hilfe hatte. Dann ließ ich die beiden eine Weile allein und wies die Schwester an, Heather etwas zur Beruhigung zu geben. Als ich zurückkehrte, saß Heather immer noch neben Daniel und hielt seine Hand. Immer wieder ließ ein Schauder sie am ganzen Körper erzittern. Sie sah aus, als sei ein Sturm über sie hinweggefegt: Tränenspuren auf dem Gesicht, das Haar halb aus dem Pferdeschwanz gezogen, der Blick leer und leblos.
    Ich sagte: »Wie kann ich Ihnen helfen, Heather?«
    Sie sah zu mir auf. »Es ist zu spät. Die Leute hatten recht. Wenn man die Kommune verlässt, geht alles vor die Hunde.« Sie klang vollkommen ruhig und sicher, beinahe prophetisch. Mir stellten sich die Nackenhaare auf. Das war gar nicht gut. Sie klang, als sei sie kurz davor, sich selbst aufzugeben. Und ich wollte nicht, dass das geschah.
    Wie das Echo meiner eigenen Gedanken sagte Daniel: »Es ist nicht zu spät. Du wirst wieder gesund werden, und wir werden ein wunderbares Leben zusammen haben.« Die letzten Worte brachte er nur mühsam heraus, nicht vor Zorn, sondern verzweifelt bemüht, sie zu überzeugen und an diese Welt zu binden.
    Ich sagte: »Ich verstehe, dass es sich anfühlt, als hätte sich gerade alles gegen Sie verschworen, aber Sie können darüber hinwegkommen. Es wird nur einige Zeit dauern …«
    »Das spielt keine Rolle mehr.« Ihre Stimme war ausdruckslos, resigniert. »Das Baby, meine Eltern. Sie sind alle gestorben, nachdem ich gegangen bin.« Sie rieb sich die Arme.
    Glaubte sie, sie würde bestraft? »Sie haben nichts falsch gemacht, Heather. Was Ihren Eltern zugestoßen ist, ist nicht Ihre Schuld.«
    Sie schüttelte lediglich weiterhin den Kopf und wiederholte: »Die Leute hatten recht.«
    Ich wartete. Daniel neben ihr schwieg ebenfalls. Sein Körper war starr, die Miene bekümmert, aber Heather sagte nichts mehr. Ich machte mir immer noch Sorgen, aber es war offensichtlich, dass sie sich nicht weiter mitteilen würde. »Der Tod Ihrer Eltern ist eine furchtbare Tragödie«, sagte ich, »aber Sie werden darüber hinwegkommen. Wir werden Sie in ein anderes Zimmer verlegen, in Ordnung? Es ist näher am Stationszimmer.« Am liebsten hätte ich sie zurück auf die Geschlossene verlegt, aber dort waren alle Betten belegt. Zum Glück hatte jede Station ein eigenes Kriseninterventionszimmer, so dass sie trotzdem mit Hilfe von Kameras engmaschig überwacht werden konnte. »Wenn Sie daran denken, sich etwas anzutun, möchte ich, dass Sie es jemandem erzählen.«
    Sie nickte, aber ihre Miene blieb ausdruckslos. Die Brust hob sich zu einem gelegentlichen Schluchzen. Daniel blieb bei ihr, bis die Wirkung des Beruhigungsmittels einsetzte und ich meine Visite beendet hatte. Als Daniel sich verabschiedete und die Schwestern Heather in das Krisenzimmer brachten, war sie ruhiger, aber immer noch verstört, das Gesicht bleich und der Blick leer. Während ich meine Notizen in die Patientenakten eintrug, behielten die Schwestern sie im Auge, und ehe ich in mein Büro beim Mental Health Service ging, sah ich ein letztes Mal bei ihr hinein. Sie hatte sich zu einer engen Kugel zusammengerollt und schlief.
    Am nächsten Tag berichteten mir die Schwestern, dass sie den Großteil des Tages unruhig geschlafen hatte. Immer wieder war sie weinend aufgewacht und wollte reden, was bedeutete, dass sie ihre Gefühle zumindest zuließ. Doch als Daniel später kam als gewöhnlich, wurde sie nervös und unruhig und schluchzte, dass er als Nächster sterben würde. Schließlich gaben die Schwestern ihr eine weitere Dosis Beruhigungsmittel.
    Am nächsten Morgen traf ich Heather im Behandlungszimmer. »Sie hatten gestern einen extrem schweren Tag«, sagte ich. »Wie kann ich Ihnen helfen? Brauchen Sie irgendetwas?«
    Ihre Stimme klang dumpf, als sie sagte: »Ich kann immer noch nicht glauben, dass sie tot sind. Ich habe schon ewig nicht mehr mit ihnen gesprochen. Beim letzten Mal …« Sie atmete tief durch und fing an zu weinen. »Als ich das letzte Mal mit meinem Dad gesprochen habe, war er böse auf mich, weil ich geheiratet hatte, während sie unterwegs waren. Ich habe einfach aufgelegt. Ich habe mich nicht einmal verabschiedet.«
    Heftige,

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