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Blick in Die Angst

Blick in Die Angst

Titel: Blick in Die Angst Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Chevy Stevens
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meines gesamten Körpers.
    Ich schlug die Augen auf und starrte hinauf zur Decke, bis die Erschöpfung mich schließlich übermannte und ich einschlief. Stunden später wachte ich auf. Regen prasselte aufs Dach, und mein Herz raste. Der Duft von Lavendel lag in der Luft, und ich hörte Willows heisere Stimme in meinem Kopf: Lass nicht zu, dass er mir folgt .

11. Kapitel
    Im Laufe der nächsten Woche machte Heather weitere Fortschritte, und wir verlegten sie einen Stock tiefer, wo sie mehr Freiheiten hatte. Mir fiel auf, dass sie außer Daniel keinen Besuch bekam, und fragte sie nach ihren Eltern, doch sie erklärte, dass sie sie noch nicht erreicht hätten. Ich hatte das Gefühl, dass die beiden sich bei der Suche keine besonders große Mühe gaben. Wahrscheinlich wollte Heather nicht, dass sie erfuhren, was passiert war. Eines Tages kam ich in ihr Zimmer, als Daniel gerade zu Besuch war, und hörte sie lachen. Das ließ mich hoffen, dass wir sie bald so weit stabilisiert hatten, um sie nach Hause entlassen und ihre Behandlung ambulant fortsetzen zu können. Daniel schien ebenfalls guter Dinge, und ich erklärte ihm, dass Heather, wenn sie sich weiterhin so gut hielt, in zwei Wochen entlassen werden könnte.

    Am Wochenende zwang ich mich, eine Auszeit von allem zu nehmen, und schmiedete Pläne mit einer Freundin. In den letzten Tagen waren bei der Arbeit mit Heather keine weiteren Erinnerungen an die Oberfläche gekommen, aber ich brauchte dringend eine Ablenkung und traf mich mit meiner Freundin, einer pensionierten Psychiaterin, um meinen Geburtstag zu feiern, obwohl ich nicht besonders in Stimmung war. Wir beschlossen, uns eine Liebeskomödie im Kino anzusehen. Elizabeth war ebenfalls verwitwet, und wir blödelten herum, dass der Film für uns beide seit Jahren die größtmögliche Annäherung an eine Romanze sei. Doch als ich zusah, wie die Protagonisten sich verliebten, versetzte meine Einsamkeit mir einen leisen Stich, und die Erinnerung daran, wie sich dieses Frisch-Verliebt-Sein anfühlte, schmerzte. Unvermittelt dachte ich an Kevin und überlegte, ob er wohl eine Beziehung hatte. Das überraschte mich – interessierte ich mich etwa für Kevin? Gewiss, er war intelligent, und ich unterhielt mich gerne mit ihm. Ich hatte mich dabei ertappt, seit neuestem jeden Morgen den Parkplatz nach seinem Auto abzusuchen. Und ja, er wirkte anziehend auf mich, aber sogleich rief ich mir den großen Altersunterschied zwischen uns in Erinnerung.
    Meine Gedanken wanderten zu Paul. Wie sicher ich mich bei ihm stets gefühlt hatte! Unsere Beziehung war nicht so leidenschaftlich gewesen, wie einige andere in meiner Jugend – mit Männern, die so kühl oder beherrschend wie mein Vater gewesen waren und normalerweise ebenfalls tranken. Doch im Zusammensein mit Paul erlebte ich die tiefe Freude, einem anderen Menschen so verbunden zu sein, dass man harmonisch zusammenleben und einander unterstützen konnte, ohne dabei die Eigenständigkeit aufzugeben. Mir wurde klar, dass ich nicht nur Paul vermisste, sondern auch das Verheiratet-Sein, und fragte mich, ob ich das wohl noch einmal erleben würde. Ich schüttelte den Gedanken ab. Diese Zeit war vorbei. Und solange meine Tochter auf der Straße lebte, fiel es mir schwer, in irgendeinem Lebensbereich überhaupt Freude zu empfinden, obgleich ich mir immer wieder sagte, dass es völlig in Ordnung war, das Gute in meinem Leben zu genießen. Ich liebte mein Haus, meinen Job, und ich war mit wunderbaren Freunden gesegnet, mit denen ich reisen und – ich schaute kurz zu Elizabeth – über Filme lachen konnte. Trotzdem war es schwer.
    Das war ein weiterer Grund, warum ich mich entschieden hatte, im Krankenhaus zu arbeiten – ich wollte Teil eines Teams sein. Die Arbeit in einer Privatpraxis kann manchmal ziemlich einsam sein. Außerdem ist das Risiko größer, die nötige Distanz zu den Patienten zu verlieren, weil man sich leichter mit ihren Problemen identifiziert. Im Krankenhaus war diese Gefahr geringer, denn dort arbeitete ich eher mit Menschen mit akuten Erkrankungen. Das war zumindest mein Plan gewesen, bis ich Heather kennenlernte und längst verschüttete Erinnerungen bei mir freigesetzt wurden. Doch zu beobachten, wie sie Fortschritte machte, erinnerte mich daran, warum ich mich überhaupt entschieden hatte, Psychiaterin zu werden. Ich freute mich ungemein, dass ich einen gewissen Einfluss auf Heathers Leben hatte, und glaubte, dass sie gute Chancen hatte, es zu

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