Blick in Die Angst
mit jemandem darüber reden, also rief ich Connie an, meine beste Freundin in Nanaimo und ebenfalls Therapeutin. Wir hatten uns an der Uni kennengelernt, und seitdem war unsere Freundschaft immer enger geworden. Selbst als wir beide verheiratet waren, versuchten wir, einmal im Jahr zusammen Urlaub zu machen. Manchmal schafften wir es nur, uns auf einer Konferenz zu treffen, aber wir hatten viel Spaß zusammen, verbrachten so viel Zeit wie möglich in unserem Hotelzimmer, stopften Junkfood in uns hinein und schauten uns schlechte Filme an.
Connie war einige Monate mit ihrem Mann durch Neuseeland gereist und gerade erst zurückgekehrt, so dass wir uns erst einmal auf den neuesten Stand brachten. Wir hatten uns gemailt, während sie unterwegs war, aber ich hatte ihr vor allem von meinem Umzug und dem neuen Job berichtet. Schließlich kam ich auf Heather zu sprechen, wobei ich persönliche Informationen ausließ und nur erzählte, dass sie ein paar Erinnerungen aus meiner Zeit in der Kommune heraufbeschworen hatte. Ich hatte Connie nie zuvor von dieser Zeit meines Lebens erzählt oder dass dort die Ursache für meine Klaustrophobie liegen könnte, so dass es ein ziemlich langes Gespräch wurde. Zum Schluss erzählte ich ihr von meinem jüngsten Flashback über Willow. »Viele meiner Erinnerungen kreisen um sie.«
»Offensichtlich hat sie dir eine Menge bedeutet.«
»Damals war ich fast krankhaft schüchtern, und sie war nett zu mir. Wir haben viel Zeit in ihrem Gewächshaus verbracht.« Eine weitere Erinnerung blitzte auf. Ich war mit Willow im Gewächshaus, und sie erklärte mir, wie die Indianer Leder behandelt hatten. Ich fragte sie nach ihrer Weste, ob sie die selbst gemacht habe, und sie erklärte, es sei ein Geschenk ihres Bruders, der in Vietnam umgekommen war. Es war das Einzige, das ihr von ihm geblieben war.
Ich erzählte Connie davon. »Merkwürdig, dass es mir gerade jetzt einfällt.«
»Sie hat dir etwas über sich anvertraut, das ihr wichtig war. Du musst dich als etwas ganz Besonderes gefühlt haben – und wahrscheinlich furchtbar verlassen, als sie ging.«
»Ich war bestürzt, daran erinnere ich mich. Auch daran, mit ihr und den Pferden am Fluss gewesen zu sein. Ich weiß nicht, warum ich so heftig reagiert habe.«
Connies Stimme bekam einen weichen Klang. »Glaubst du, dass dir möglicherweise etwas passiert sein könnte?«
»Ich weiß es nicht. Meine Erinnerung ist in vielen Punkten immer noch ziemlich verschwommen.« Meine Gedanken wanderten zu der lange zurückliegenden Unterhaltung mit meiner Mutter. »Aaron hat mir das Schwimmen beigebracht. Ich könnte mir vorstellen, dass mir während des Schwimmunterrichts irgendetwas zugestoßen ist. Dass ich unter Wasser eingeklemmt war oder so.« Ich erzählte ihr von Coyote.
»Das wäre auf jeden Fall traumatisch gewesen, wenn du beinahe ertrunken wärst, vor allem, wenn du kurz zuvor Zeugin eines Todesfalls warst. Das könnte eindeutig der Auslöser für deine Klaustrophobie sein.«
»Ja. Seitdem habe ich mich in der Nähe von Flüssen immer unwohl gefühlt.« Ich dachte daran, dass ich nur in Seen oder im Meer schwimmen mochte, und daran, wie ich meinen Freund gedrängt hatte, vom alten Gelände der Kommune zu verschwinden. »Willow hat mich vielleicht gesehen, als ich völlig aufgelöst vom Schwimmunterricht zurückkam.«
Wir redeten, bis Connies Mann nach Hause kam. Mittlerweile hatte ich Kopfschmerzen bekommen und musste eine Paracetamol nehmen. Später, als ich mit geschlossenen Augen auf dem Sofa lag und das Feuer im Kamin den Raum wärmte, wanderten meine Gedanken zurück zu Willows Lederweste. Sie hatte diese Weste geliebt, warum hätte sie sie einfach am Lagerfeuer liegenlassen sollen? Und warum hatte sie sich von niemandem verabschiedet? Sie wusste, dass wir verstimmt sein würden. Dann dachte ich an das letzte Mal, als ich sie gesehen hatte. Sie hatte am Waldrand mit Robbie geredet, nachdem der Rest von uns zum Spaziergang aufgebrochen war. Ich versuchte angestrengt, mich an ihr Gesicht zu erinnern. Wie hatte sie ausgesehen? In mir formte sich das Bild einer gereizten Willow, die Stirn gerunzelt, die Hand zu einer unwirschen Geste gehoben. In dem Moment war Robbie gegangen. Dann sprang meine Erinnerung blitzartig zu Aaron, der sie beobachtete, als sie hinunter zum Fluss ging. Ich meinte wieder die bösartige Stimmung zu spüren, die damals in der Luft lag, das übelkeiterregende Ziehen in meiner Magengrube, die ängstliche Anspannung
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