Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Blick in Die Angst

Blick in Die Angst

Titel: Blick in Die Angst Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Chevy Stevens
Vom Netzwerk:
vor ihm. Er nimmt meine Hand und legt sie auf seinen Penis, dann packt er meinen Nacken und zieht mein Gesicht zu sich. Ich sage: »Ich weiß nicht, wie …«
    »Dr. Lavoie? Ist alles in Ordnung?« Daniel starrte mich besorgt an.
    Ich versuchte, irgendetwas Vernünftiges zu sagen, aber in meinem Kopf drehte sich alles. Alles ergab plötzlich einen schrecklichen Sinn. Gab es noch weitere Opfer? Was war mit all den Frauen, die er zu privaten Meditationen mitgenommen hatte, mit diesen langen Spaziergängen mit anderen Mädchen der Kommune? Er hatte irgendetwas gesagt, dass er sie »heilen« könnte. Von wem hatte er geredet?
    Daniel. Ich musste mich auf Daniel konzentrieren.
    »Tut mir leid, ich habe nur gerade daran gedacht, wie sehr ich Heather mochte.«
    Einen Moment lang sahen wir uns an. Unsere Trauer verband uns.
    Dann senkte er erneut den Kopf, schlug die Hände vors Gesicht, während sein Körper von der Anstrengung, seine Trauer zurückzuhalten, erbebte.
    Ich blieb neben ihm stehen, eine Hand auf seiner Schulter.

    Ich weiß nicht, wie ich es nach Hause schaffte. Ich erinnere mich nur noch, dass ich mich auszog und unter die Dusche stieg. Das Wasser prasselte auf meinen Kopf, während ich an meinem Körper hinunterstarrte und mich fragte, welche Geheimnisse er noch barg. Was hat Aaron mir angetan? Ich blieb unter der Dusche und schrubbte meine Haut immer wieder ab, bis das Wasser kalt wurde.
    Als ich später auf dem Sofa saß, versuchte ich mich zu beruhigen und die Fakten zu prüfen. Wenn Aaron mich missbraucht hatte, dann würde das erklären, warum ich mich in seiner Nähe so unbehaglich gefühlt hatte, und möglicherweise würde es auch meine Klaustrophobie erklären. Aber warum kam die Erinnerung ausgerechnet jetzt an die Oberfläche? War sie echt? Es hatte sich real angefühlt, aber jetzt, ohne einen weiteren Beweis, der meine Erinnerung bestätigte, ohne die Möglichkeit einer zeitlichen Einordnung, ohne zu wissen, wann es angefangen oder aufgehört hatte, während die kurz aufgeblitzte Erinnerung bereits wieder verblasste, war ich mir nicht mehr so sicher. Gut möglich, dass die Beschäftigung mit meiner Zeit in der Kommune in den letzten Wochen und die starken Gefühle, die Heathers Tod ausgelöst hatten, meine Erinnerungen verzerrten. Wie bei einem Traum, der keinen Sinn ergab und lediglich andere Gefühle repräsentierte. Konnte es sein, dass mein Argwohn gegenüber Aaron und seinen Machenschaften im Zentrum sich auf diese Weise manifestierte? Schon als Kind hatte ich sein Vorgehen als Vertrauensverrat empfunden, und jetzt formte meine Psyche aus diesem Gefühl womöglich das Bild einer noch intimeren Grenzverletzung.
    Manche Therapeuten pflanzten ihren Patienten unbeabsichtigt Erinnerungen ein, was einer der Gründe war, warum Therapieformen, die ausschließlich auf dem Freilegen verschütteter Erinnerungen beruhen, schließlich in Verruf gerieten. War es das, woran ich mich gerade erinnerte? Eine langverborgene Manipulation?
    Ich versuchte, mich selbst zu hypnotisieren, zählte mehrmals rückwärts, konzentrierte mich auf die Flamme einer Kerze, aber ich kam nicht an diese Erinnerung heran. Die Bilder, die ich am Nachmittag so klar vor mir gesehen hatte, waren verschwommen. Ich wusste nicht mehr, was real war und was nicht.

15. Kapitel
    Noch am selben Abend sprach ich mit Connie über mein Erlebnis bei Heathers Beerdigung. Wir diskutierten auch über meine Vorbehalte gegenüber der Kommune, über den zerstörerischen Effekt, den sie auf die psychische Verfassung ihrer Mitglieder haben konnte, und dass es, falls meine Erinnerung tatsächlich real war, noch mehr Opfer sexuellen Missbrauchs geben könnte. Ich erwog, Anzeige bei der Polizei zu erstatten, doch am Ende entschied ich, dass ich noch nicht bereit war, meine Geschichte zu erzählen. Sie war zwar erschütternd, aber ich war noch nicht überzeugt, was die Fakten anging, und wollte zunächst abwarten, ob noch mehr Erinnerungen an die Oberfläche kamen. Allerdings wollte ich die Polizei dazu bringen, das Zentrum einmal genauer unter die Lupe zu nehmen. Und hoffentlich würden sie, wenn sie entdeckten, dass dort nicht alles mit rechten Dingen zuging, etwas genauer ermitteln und das Zentrum schließen.
    Am folgenden Tag fuhr ich nach der Arbeit zur Polizeistation von Victoria. In anderen Orten von British Columbia war die Royal Canadian Mounted Police, kurz die RCMP, zuständig, aber Victoria und die Kleinstadt Esquimalt, die direkt an Victoria

Weitere Kostenlose Bücher