Blick in Die Angst
hinzuweisen. Corporal Cruikshank nickte ermutigend, stellte aber keine einzige Frage, sondern machte sich nur gelegentlich Notizen. »Meine Mutter hat gesagt, er hätte mir Schwimmunterricht gegeben, aber ich bin mir nicht sicher, ob es damit angefangen hat …« Im Raum war es so still, dass ich die Polizistin atmen hörte. Die Wände kamen auf mich zu, und ich verspürte den plötzlichen Drang, davonzulaufen. Ich schlug die Augen auf. »Können wir die Tür offen lassen?«
Sie sah mich erstaunt an.
»Oder gibt es hier einen größeren Raum? Ich leide unter Klaustrophobie.«
»Wir können die Tür öffnen, aber es läuft ständig jemand vorbei. Leider ist dies hier unser einziges Vernehmungszimmer. Möchten Sie eine Pause machen?«
»Geben Sie mir bitte einfach eine Minute.« Ich zentrierte mich und holte dreimal tief Luft. Als ich so weit war, begann ich von neuem. »Wir waren unten am Fluss …« Mit geschlossenen Augen fiel mir ein rhythmisches Geräusch auf, etwas prasselte aufs Dach, und ich begriff, dass es angefangen haben musste zu regnen. Ich entspannte mich und tauchte wieder in meine Erinnerung ein.
Jetzt wusste ich wieder, wie alles angefangen hatte.
Wir sind noch nicht lange in der Kommune, vielleicht zwei Monate, als Aaron anfängt, mir seine besondere Aufmerksamkeit zuteilwerden zu lassen. Er sucht meinen Blick am Lagerfeuer, gibt mir ein Extrastück von seinem Obst, seine Hand bleibt etwas länger auf meinem Bein liegen, wenn er mir zeigt, wie ich mich für die Meditation hinsetzen soll. Ich bin schüchtern in seiner Gegenwart und antworte kaum, wenn er mir eine Frage stellt. Meine Mutter schimpft mich aus und sagt, ich soll netter zu ihm sein.
Ich habe mich von den anderen Kindern weggeschlichen und bin allein in meiner Hütte. Einer der Hunde, ein Spaniel, hat seine Welpen unter meinem Bett zur Welt gebracht. Ich habe gerade ihre Kiste herausgezogen, ein Junges auf den Arm genommen und reibe meine Nase an seinem weichen Fell, als Aaron in die Hütte kommt.
Er sagt: »Alles in Ordnung? Mir ist aufgefallen, dass du nicht bei den anderen Kindern bist.«
Ich stammele ein paar Worte, verwirrt und geschmeichelt von seiner Aufmerksamkeit. »Ja, ich … ich wollte nur nachsehen, ob es den Welpen gutgeht.«
Ich spüre, dass er mich beobachtet, als ich mich hinknie und die Kiste wieder unters Bett schiebe. Als ich aufstehe, mustert er mein Gesicht, sein Blick bleibt an meinem Mund hängen.
Die Art, wie er mich anstarrt, ist mir unangenehm, und ich will weggehen, aber ich will ihn nicht beleidigen und denke daran, dass meine Mom mich ermahnt hat, höflich zu sein.
Er sagt: »Komm mit mir zum Fluss. Ich möchte dir etwas zeigen.«
Ich folge ihm den Pfad hinunter. Wir müssen uns durch Sträucher und Büsche schlängeln, die vom letzten Regenschauer noch ganz nass sind. Als wir über die glitschigen, moosbedeckten Felsen am Flussufer balancieren, werden unsere Schritte vom Donnern des Flusses übertönt. Schließlich findet er hinter der Biegung eine Stelle, die zu beiden Seiten von toten Bäumen verdeckt wird. Ich zittere in meinem Sweater und meinen Jeans, mein Atem bildet kleine Wolken in der Luft. Aaron tritt nah an mich heran und legt seine Arme um mich, drückt mein Gesicht gegen seine Jacke. Ich stehe ganz still, mein Herz hämmert laut in meiner Brust, und ich frage mich, warum er mich anfasst.
Ich mache mich los, sehe ihn nervös an und schaue mich um. »Warum sind wir hier unten?«
Er breitet die Arme weit aus und lächelt. »Leben, es steckt in jedem Blatt und jedem Wassertropfen.« Er reckt sein Gesicht dem Himmel entgegen und atmet tief ein. »Riechst du es nicht?«
Verwirrt und weil ich die richtige Antwort geben will, hebe ich ebenfalls den Kopf, hole tief Luft und sage: »Es riecht gut.«
Er setzt sich auf einen flachen Felsen, kreuzt die Beine und bedeutet mir, mich neben ihn zu setzen. Ich zögere.
Er zieht an meiner Hand. »Lass uns zusammen meditieren. Das wird Spaß machen.«
Ich lasse mich ebenfalls mit gekreuzten Beinen nieder. Unsere Knie berühren sich. Ich senke den Kopf, schließe die Augen und warte darauf, dass er mit dem Chanten beginnt.
Er beugt sich zu meinem Ohr, sein Atem, der süßlich nach Marihuana riecht, streift heiß meinen Hals, während ich wie gelähmt zu Boden starre.
»Sieh mich an«, flüstert er.
Nervös hebe ich den Kopf und sehe ihn verwirrt an. Ich habe noch nie allein mit Aaron meditiert, und ich habe Angst, etwas falsch zu machen.
Er
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