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Blick in Die Angst

Blick in Die Angst

Titel: Blick in Die Angst Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Chevy Stevens
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grenzte, hatten eine städtische Polizei. Ich sprach mit einem freundlichen Officer, der mir geduldig zuhörte und dann sagte: »Kennen Sie irgendjemanden, der in der Kommune zu Schaden gekommen ist?«
    »Nein, aber wenn man dort die Leute überredet, ihre Medikamente abzusetzen, dann ist das ziemlich gefährlich. Und es gibt noch andere Dinge, die mir Sorgen machen.« Ich erzählte ihm, wie sie Heather bedrängt hätten, nachdem sie fortgegangen war, und dass man sie dazu gebracht hatte, große Geldsummen zu spenden. Und dass ich befürchtete, Aaron würde Techniken der Gedankenkontrolle einsetzen.
    »Ist Ihre Patientin gegen ihren Willen festgehalten worden?«, fragte der Officer.
    »Na ja, nein, aber …«
    »Hat man sie gezwungen, das Geld zu spenden, indem man sie bedroht oder auf andere Weise eingeschüchtert hat?«
    »Nicht dass ich wüsste. Sie arbeiten eher mit subtilem Druck und Manipulation.«
    Der Officer seufzte. »Solange sich niemand aus dem Zentrum beschwert, sind uns die Hände gebunden. Das River of Life Center ist ein angesehenes Unternehmen in dieser Gemeinde. Wir können dort nicht einfach grundlos reinplatzen und einen Haufen Fragen stellen.«
    Ich dachte an meine Erinnerung von Aaron und mir am Fluss. Offenkundig würde die Polizei die Kommune und ihre Aktivitäten nicht genauer unter die Lupe nehmen, solange es nicht mehr Hinweise auf ein Verbrechen gab. Ich wollte nicht in ein Wespennest stechen, solange ich mir selbst nicht ganz sicher war, aber falls meine Erinnerung doch real war und tatsächlich noch weitere Mädchen missbraucht wurden …
    »Was, wenn der Leiter minderjährige Mädchen sexuell missbraucht?«
    »Tut er das?«
    Ich durfte jetzt nicht schwanken oder Unsicherheit zeigen. Ich musste weitermachen.
    »Er hat es getan … früher.« Ich holte tief Luft und erklärte kurz, dass meine Erinnerungen wiedergekommen waren und dass ich als Kind Erfahrungen mit der Gruppe gemacht hatte.
    Als ich fertig war, ließ der Officer nicht erkennen, ob er meiner Geschichte Glauben schenkte, doch seine Miene wirkte mitfühlend. Er sagte, er könne meine Aussage aufnehmen, aber er müsste sie zur RCMP in Shawnigan weiterleiten, wo das Verbrechen verübt worden war. Seine behutsame Erklärung, dass die Polizei von Victoria in diesem Fall gar nicht ermitteln würde, verriet mir, dass er persönlich der Meinung war, ich sollte mich direkt an die für die Ermittlungen zuständige Polizeistation wenden. Als ich genau das vorschlug, sagte er: »Das müssen Sie entscheiden. Es war bestimmt nicht leicht für Sie, heute hierherzukommen, und vielleicht wollen Sie es einfach nur hinter sich bringen. Aber die Kollegen in Shawnigan würden Sie wahrscheinlich noch einmal befragen wollen, so dass Sie alles zweimal durchkauen müssten. Wenn es Ihnen nichts ausmacht, kurz hinzufahren, wäre es vielleicht …«
    »Ich fahre nach Shawnigan.«

    Ich verließ das Revier mit dem Gefühl tiefer Erschöpfung. Es war schwer und beschämend gewesen, einem Fremden zu erzählen, dass ich missbraucht worden war, zumal ich nicht viele Erinnerungen an das Erlebnis hatte. Es fühlte sich an, als würde ich im Dunkeln herumtasten und immer wieder gegen scharfe Kanten stoßen. Der Officer hatte mir erklärt, dass sich demnächst jemand mit mir in Verbindung setzen würde, aber ich war mir immer noch nicht sicher, wie weit ich mich persönlich in diese Sache einbringen wollte. Ich wollte einfach nur, dass sie das Zentrum überprüften.
    Ich überlegte, ob ich Robbie alles erzählen sollte – für den Fall, dass die Polizei mit ihm sprechen wollte. Er würde nicht sonderlich glücklich darüber sein. Robbie ist schon an seinen besten Tagen nicht der Typ, der gern über seine Gefühle spricht, vor allem nicht mit mir, und wahrscheinlich würde er sich lieber von einer Klippe stürzen, als der Polizei irgendetwas zu erzählen. Trotzdem hatte ich ein ungutes Gefühl bei der Vorstellung, ihn nicht einzuweihen. Ich beschloss, es ihm nach meinem Treffen mit der Polizei zu sagen.
    Am nächsten Morgen erhielt ich einen Anruf von Corporal Cruikshank, einer Polizistin, die sehr professionell und sachlich klang. Wir verabredeten uns für den kommenden Freitagnachmittag auf dem Polizeirevier. An diesem Tag machte ich bei der Arbeit früher Schluss und nahm den Malahat Highway nach Shawnigan, etwa vierzig Minuten Fahrzeit von Victorias Stadtzentrum entfernt. Der Malahat Highway konnte im Winter ziemlich tückisch sein, mit seinen Serpentinen

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