Blick in die Ewigkeit: Die faszinierende Nahtoderfahrung eines Neurochirurgen (German Edition)
anrief. Und ich hatte es selbst erlebt, nachdem ich die Geschichte meiner leiblichen Familie gehört hatte. Was mit mir passiert war, war ebenfalls eine heilende Geschichte. Was für eine Art Heiler wäre ich, wenn ich sie für mich behalten würde?
Etwa zwei Jahre nach meiner Rückkehr aus dem Koma besuchte ich einen guten Freund und Kollegen, der eine der weltweit führenden Forschungsabteilungen für Neurowissenschaften leitet. Ich kenne John (das ist nicht sein richtiger Name) seit Jahrzehnten und halte ihn für einen wunderbaren Menschen und erstklassigen Wissenschaftler.
Ich erzählte John einen Teil der Geschichte meiner spirituellen Reise im tiefen Koma, und er wirkte ziemlich erstaunt. Nicht erstaunt darüber, wie verrückt ich neuerdings war, sondern darüber, dass etwas, was ihm lange ein Rätsel gewesen war, endlich einen Sinn für ihn ergab.
Es stellte sich heraus, dass Johns Vater vor etwa einem Jahr nach fünfjähriger Krankheit seinem Ende entgegengesehen hatte. Er war entmündigt, dement, hatte Schmerzen und wollte sterben.
»Bitte«, hatte sein Vater John auf dem Totenbett angefleht. »Gib mir ein paar Pillen oder irgendwas. Ich kann so nicht weitermachen.«
Dann plötzlich wurde sein Vater klarer, als er es in den letzten beiden Jahren gewesen war, und teilte John einige tiefe Beobachtungen über sein Leben und ihre Familie mit. Dann änderte er seine Blickrichtung und begann mit der Luft am Fußende seines Bettes zu reden. Während er zuhörte, merkte John, dass sein Vater mit seiner Mutter sprach, die 65 Jahre zuvor gestorben war, als Johns Vater noch ein Teenager war. Sein Vater hatte sie John gegenüber kaum je erwähnt, aber nun führte er ein fröhliches und lebhaftes Gespräch mit ihr. John konnte sie nicht sehen, aber er war fast davon überzeugt, dass ihr Geist anwesend war und den Geist seines Vaters zu Hause willkommen hieß. Nach ein paar Minuten wandte sich Johns Vater wieder ihm zu und hatte jetzt einen völlig anderen Ausdruck im Gesicht. Er hatte ein Lächeln auf den Lippen und war deutlich sichtbar voller Frieden, mehr, als John es je zuvor an ihm erlebt hatte.
»Schlaf jetzt, Papa«, hörte sich John sagen. »Lass einfach los. Es ist alles in Ordnung.«
Sein Vater tat genau das. Er schloss die Augen und dämmerte mit einem vollkommen friedlichen Ausdruck auf dem Gesicht ein. Kurz danach segnete er das Zeitliche.
John spürte, dass die Begegnung zwischen seinem Vater und seiner verstorbenen Großmutter sehr real gewesen war, aber er hatte keine Ahnung, was er damit anfangen sollte, weil er als Arzt wusste, dass solche Dinge »unmöglich« waren. Viele andere Menschen waren Zeugen einer erstaunlichen und plötzlichen geistigen Klarheit, die sich bei dementen älteren Menschen oft unmittelbar vor dem Tod einstellt, ähnlich wie es John bei seinem Vater erlebt hatte (ein Phänomen, das als »Terminal Lucidity« oder »geistige Klarheit kurz vor dem Tod« bekannt ist). Dafür gibt es keine neurophysiologische Erklärung.
Meine Geschichte schien John eine Art Lizenz für etwas zu geben, nach dem er sich gesehnt hatte: die Erlaubnis zu glauben, was er mit seinen eigenen Augen gesehen hatte. Und die tiefe und beruhigende Wahrheit zu wissen, dass unser ewiges spirituelles Selbst realer ist als irgendetwas, was wir in diesem physischen Bereich wahrnehmen, und dass es eine göttliche Verbindung zur grenzenlosen Liebe des Schöpfers hat.
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In der Kirche
Es gibt nur zwei Arten, sein Leben zu leben: Entweder so, als gäbe es keine Wunder, oder so, als wäre alles ein Wunder.
Albert Einstein
Bis Dezember 2008 schaffte ich es nicht, wieder in die Kirche zu gehen, doch dann überredete mich Holley, sie am zweiten Adventssonntag zum Gottesdienst zu begleiten. Ich war immer noch schwach, untergewichtig und ein wenig aus dem Gleichgewicht. Holley und ich saßen in der ersten Reihe. Michael Sullivan leitete an diesem Tag den Gottesdienst. Er kam auf uns zu und fragte, ob ich Lust hätte, die zweite Kerze am Adventskranz zu entzünden. Ich wollte nicht wirklich, aber etwas drängte mich, es doch zu tun. Ich stand auf, stützte mich mit der Hand auf den Messingpfosten und schritt mit unerwarteter Leichtigkeit in den Altarraum der Kirche.
Meine Erinnerungen an die Zeit außerhalb meines Körpers waren immer noch nackt und roh, doch wohin ich mich auch wandte an diesem Ort, der mich früher nie besonders bewegt hatte, sah ich Kunst und hörte Musik, die alles sofort wieder aufleben
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