Blick in die Ewigkeit: Die faszinierende Nahtoderfahrung eines Neurochirurgen (German Edition)
möglichen Leute, die schon etwas von Nahtoderlebnissen gehört haben – entweder durch entsprechende Lektüre oder von einem Freund oder Verwandten, der ein Nahtoderlebnis hatte. Nahtoderlebnisse kommen nämlich außerordentlich häufig vor. Diese in der Mitte stehenden Menschen waren diejenigen, denen meine Geschichte meiner Meinung nach wirklich helfen konnte. Die Botschaft, die ein Nahtoderlebnis übermittelt, verändert das ganze Leben. Aber wenn jemand, der potenziell offen dafür ist, sich etwas über ein Nahtoderlebnis anzuhören, einen Arzt oder Wissenschaftler fragt – in unserer Gesellschaft die offiziellen Wächter darüber, was real ist und was nicht – bekommt er nur allzu oft freundlich, aber bestimmt zu hören, dass Nahtoderlebnisse Fantasien seien: Produkte eines Gehirns, das sich alle Mühe gibt, am Leben festzuhalten, und nichts weiter.
Als Arzt konnte ich vor dem Hintergrund dessen, was ich durchgemacht hatte, eine andere Geschichte erzählen. Und je mehr ich darüber nachdachte, desto mehr hatte ich das Gefühl, es sei meine Pflicht, genau das zu tun.
Ich ging die Vorschläge, von denen ich wusste, dass meine Kollegen sie machen würden und dass ich selbst sie früher gemacht hätte, um zu erklären, was mit mir passiert war, einen nach dem anderen durch. (Näheres darüber finden Sie in meiner Zusammenfassung der neurowissenschaftlichen Hypothesen, Anhang B.) War mein Erlebnis ein primitives Stammhirn-Programm, das sich herausgebildet hatte, um letale Schmerzen und Leiden zu lindern – möglicherweise ein Relikt der »Totstell«- oder Scheintod-Strategien, die von niederen Säugetieren eingesetzt werden? Das schloss ich von vornherein aus. Es war ganz einfach nicht möglich, dass meine Erlebnisse, die sich auf äußerst komplexen visuellen und auditiven Ebenen abgespielt und einen hohen Grad an wahrgenommener Bedeutung gehabt hatten, das Produkt meines Reptilienhirns waren.
War es ein verzerrter Rückgriff auf Erinnerungen aus tieferen Teilen meines limbischen Systems, dem Teil des Gehirns, der die emotionale Wahrnehmung anregt? Wieder nein. Ohne einen funktionierenden Neokortex konnte das limbische System keine Visionen von derartiger Klarheit und Logik hervorbringen, wie ich sie gehabt hatte.
War mein Erlebnis vielleicht so etwas wie eine psychedelische Vision, hervorgerufen von einigen der (vielen) Medikamente, die mir verabreicht wurden? Wieder ist es so, dass alle diese Medikamente mit Rezeptoren im Neokortex zusammenwirken. Und mit einem nicht funktionierenden Neokortex hatten diese Medikamente keinen Boden, auf dem sie wirken konnten.
Was war mit einer REM-Intrusion? Das ist der Name eines Syndroms (es tritt in Zusammenhang mit der »Rapid- Eye-Movement«- oder REM-Schlafphase auf, in der sich die Augen schnell bewegen, weil man träumt), bei dem natürliche Neurotransmitter wie Serotonin mit Rezeptoren im Neokortex interagieren. Leider ebenfalls Fehlanzeige. Die REM-Intrusion braucht einen funktionierenden Neokortex, um auftreten zu können, und den hatte ich nicht.
Dann war da noch das hypothetische Phänomen, das als »DMT-Ausschüttung« bekannt ist. In solch einem Fall produziert die Zirbeldrüse als Reaktion auf den Stress einer wahrgenommenen Bedrohung des Gehirns eine Substanz namens DMT (oder N,N-Dimethyltryptamin). DMT ist von seiner Struktur her dem Serotonin ähnlich und kann einen extrem intensiven psychedelischen Zustand herbeiführen. Ich hatte keine persönliche Erfahrung mit DMT – und habe sie immer noch nicht –, aber ich widerspreche denjenigen nicht, die sagen, dass es eine sehr kraftvolle psychedelische Erfahrung bewirken kann, vielleicht sogar eine mit echten Konsequenzen für unser Verständnis davon, was Bewusstsein und Realität wirklich sind.
Dennoch bleibt die Tatsache bestehen, dass der Teil des Gehirns, der von DMT beeinflusst wird (der Neokortex), in meinem Fall stillgelegt war und nicht auf DMT ansprechen konnte. Wenn also erklärt werden soll, was mit mir passiert ist, greift die Hypothese von der DMT-Ausschüttung ebenso kurz wie die anderen Hauptkandidaten zur Erklärung meiner Erfahrung, und zwar aus demselben entscheidenden Grund: Halluzinogene beeinflussen den Neokortex, und mein Neokortex stand für Beeinflussungen nicht zur Verfügung.
Die letzte Hypothese, mit der ich mich auseinandersetzte, war die vom »Neustart-Phänomen«. Ihr zufolge war meine Erfahrung eine Ansammlung von weitgehend zusammenhanglosen Erinnerungen und Gedanken,
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