Blick in die Ewigkeit: Die faszinierende Nahtoderfahrung eines Neurochirurgen (German Edition)
ließen. In den pulsierenden Basstönen eines Chorals hallte das derbe Elend nach, das ich im Reich der Regenwurmperspektive empfunden hatte. Die bunten Glasfenster mit ihren Wolken und Engeln brachten mir die himmlische Schönheit des Übergangsbereichs in Erinnerung. Ein Gemälde von Jesus, der mit seinen Jüngern das Brot brach, rief das Gemeinschaftsgefühl im Zentrum wach. Als ich mich an die Seligkeit der unendlichen, bedingungslosen Liebe erinnerte, die ich dort erfahren hatte, lief mir ein Schauer über den Rücken.
Endlich verstand ich, worum es bei der Religion wirklich ging. Oder zumindest gehen sollte. Ich glaubte nicht nur an Gott; ich kannte Gott. Als ich zum Altar humpelte, um die Kommunion in Empfang zu nehmen, liefen mir Tränen über die Wangen.
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Das Rätsel des Bewusstseins
Wer ein wirklicher Sucher nach der Wahrheit werden will, muss mindestens einmal im Leben möglichst alles angezweifelt haben.
René Descartes (1596–1650)
Es dauerte etwa zwei Monate, bis die ganze Fülle meines neurologischen Wissens zu mir zurückgekehrt war. Lassen wir im Moment mal die eigentlich rätselhafte Tatsache beiseite, dass dieses Wissen überhaupt zurückgekehrt ist (es gibt nach wie vor keinen medizinischen Präzedenzfall für meinen, bei dem ein Gehirn nach einem derart heftigen Langzeitangriff gramnegativer Bakterien wie E. coli seine kompletten Fähigkeiten auch nur annähernd wiedererhalten hat). Nachdem es jedenfalls zurückgekehrt war, hatte ich weiterhin mit der Tatsache zu kämpfen, dass alles, was ich in den vier Jahrzehnten meines Studiums und meiner Arbeiten über das menschliche Gehirn, das Universum und darüber, was die Realität ausmacht, gelernt hatte, im Widerspruch zu meinen Erlebnissen während meines siebentägigen Komas stand. Als ich in mein Koma fiel, war ich ein ganz und gar weltlicher Arzt, der sein gesamtes Berufsleben an einigen der renommiertesten Forschungsinstitutionen der Welt verbracht und dort versucht hatte, den Zusammenhang zwischen dem menschlichen Gehirn und dem Bewusstsein zu verstehen. Es war nicht etwa so, dass ich nicht an das Bewusstsein glaubte. Ich war mir einfach nur mehr als andere Menschen der überwältigenden mechanischen Unwahrscheinlichkeit bewusst, dass es unabhängig vom Gehirn existiert.
In den 1920er-Jahren machte der Physiker Werner Heisenberg (und andere Begründer der Quantenmechanik) eine Entdeckung, die so seltsam ist, dass sich die Welt immer noch nicht so recht damit abgefunden hat. Bei der Beobachtung subatomarer Phänomene ist es unmöglich, den Beobachter (das heißt, den Wissenschaftler, der das Experiment macht) vollständig vom Beobachteten zu trennen. Im Alltag übersieht man diese Tatsache allerdings leicht. Wir sehen das Universum als einen Ort voller einzelner Objekte (Tische und Stühle, Menschen und Planeten), die gelegentlich miteinander interagieren, aber dennoch im Wesentlichen voneinander getrennt bleiben. Auf der subatomaren Ebene erweist sich die Vorstellung der Getrenntheit der Objekte jedoch als vollkommene Illusion. Auf der Ebene winzigster Teilchen ist jedes Objekt des physischen Universums eng mit jedem anderen Objekt verbunden. In Wirklichkeit gibt es überhaupt keine »Objekte« in der Welt, sondern nur energetische Schwingungen und Beziehungen.
Was das bedeutet, sollte eigentlich offensichtlich sein, ist es für viele aber nicht. Es ist unmöglich, die innerste Realität des Universums zu erforschen, ohne sein Bewusstsein einzusetzen. Das Bewusstsein ist nicht nur alles andere als ein unwichtiges Nebenprodukt körperlicher Prozesse, wie ich vor meinem Erlebnis gedacht hatte, es ist auch sehr real, und zwar sehr viel realer als der Rest der physischen Existenz und höchstwahrscheinlich die Basis von allem. Aber keine dieser beiden Einsichten wird wirklich in das Bild der Wissenschaft von der Realität integriert. Viele Wissenschaftler versuchen es, aber bisher gibt es keine einheitliche »Theorie von allem« (TOE, Theory of Everything), welche die Gesetze der Quantenmechanik so mit denen der Relativitätstheorie vereinbaren kann, dass allmählich auch das Bewusstsein integriert wird.
Alle Objekte im physischen Universum bestehen aus Atomen. Atome wiederum bestehen aus Teilchen (wie Physiker ebenfalls Anfang des 20. Jahrhunderts herausgefunden haben): Protonen, Elektronen und Neutronen. Und diese Teilchen bestehen aus … Nun, ehrlich gesagt wissen das die Physiker auch nicht so genau. Aber eines wissen wir über die
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