Blick in die Ewigkeit: Die faszinierende Nahtoderfahrung eines Neurochirurgen (German Edition)
wusste, wie gern ich ihn in diesem Hemd und dem Hut sah, aber wir haben nie einen Ersatz besorgt.«
»Bestimmt hat Christina viele wunderbare Geschichten über das Hemd und den Hut gehört, Susanna«, erklärte ich. »Und über Ihre erste gemeinsame Zeit …«
»Nein«, lachte sie. »Das ist ja das Wunderbare daran. Das war unser kleines Geheimnis. Wir wussten, wie lächerlich es für jemand anderen klingen würde. Also haben wir nie über dieses Hemd und den Hut gesprochen, nachdem sie verlorengegangen waren. Christina hat von uns nie auch nur einen Pieps darüber gehört. Christina hatte eine solche Angst vor dem Sterben, und nun weiß sie, dass sie nichts zu fürchten hat, überhaupt nichts.«
Das, was Susanna mir berichtete, war, wie ich später aus der Literatur erfuhr, eine Art von Traum-Versicherung, die ziemlich oft vorkommt. Aber als ich diesen Anruf bekam, hatte ich mein Nahtoderlebnis noch nicht gehabt, und zu der Zeit meinte ich ganz genau zu wissen, dass das, was Susanna mir erzählte, eine von Kummer induzierte Fantasie war. Im Laufe meines Berufslebens habe ich viele Patienten gehabt, die im Koma oder während einer Operation ungewöhnliche Erfahrungen machten. Wann immer mir einer dieser Menschen von einem ungewöhnlichen Erlebnis berichtete, wie Susanna in diesem Telefongespräch, reagierte ich stets absolut verständnisvoll. Und ich war mir ziemlich sicher, dass sie diese Erfahrungen wirklich gemacht hatten – in ihrem Kopf.
Das Gehirn ist das anspruchsvollste – und launischste – Organ, das wir besitzen. Wenn man daran herumbastelt und beispielsweise die Menge an Sauerstoff, die im Gehirn ankommt, um wenige Torr (eine Druckeinheit) vermindert, wird der betreffende Mensch seine Realität als verändert erleben – oder, genauer gesagt, seine persönliche Wahrnehmung der Realität. Wenn man nun all die physischen Traumen und die Medikationen, die ein Mensch mit einem Gehirnleiden vermutlich verkraften muss oder hinter sich hat, in Betracht zieht, kann man fast schon garantieren, dass die Erinnerungen, die solch ein Patient möglicherweise hat, wenn er zurückkehrt, reichlich ungewöhnlich sind. In einem Gehirn, das von einer tödlichen bakteriellen Infektion betroffen und von bewusstseinsverändernden Medikamenten beeinflusst ist, kann alles passieren. Alles – außer der ultra-realen Erfahrung, die ich im Koma gemacht habe.
Und mit einem Ruck, der auftritt, wenn man plötzlich etwas sieht, was eigentlich die ganze Zeit hätte offensichtlich sein sollen, erkannte ich, dass Susanna an diesem Tag nicht bei mir angerufen hatte, um von mir getröstet zu werden. Sie hatte wirklich ernsthaft versucht, mich zu trösten. Aber ich war nicht in der Lage gewesen, das zu erkennen. Ich hatte geglaubt, Susanna einen Gefallen zu tun, indem ich auf meine matte und zerstreute Weise vorgab, ihre Geschichte zu glauben. Aber das tat ich nicht. Und als ich auf dieses Gespräch und Dutzende andere, ähnliche Gespräche zurückblickte, erkannte ich, was für einen langen Weg ich noch vor mir hatte, wenn ich meine Ärztekollegen davon überzeugen wollte, dass das, was ich erlebt hatte, real war.
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Drei Lager
Ich behaupte, dass das menschliche Mysterium unglaublich erniedrigt wird durch den wissenschaftlichen Reduktionismus mit seinem Anspruch, der promissorische Materialismus erkläre letztlich die ganze spirituelle Welt in Form von Mustern der neuronalen Aktivität. Diese Annahme muss als Aberglaube eingestuft werden … wir müssen erkennen, dass wir sowohl spirituelle Wesen mit Seelen sind, die in einer spirituellen Welt existieren, als auch materielle Wesen mit Körpern und Gehirnen, die in einer materiellen Welt leben.
Sir John C. Eccles (1903–1997)
Was Nahtoderlebnisse anbelangt, so gibt es grundsätzlich drei Lager. Das erste besteht aus denjenigen, die daran glauben: Menschen, die entweder selbst ein Nahtoderlebnis hatten oder für die solche Erfahrungen leicht zu akzeptieren sind. Dann gibt es natürlich die standhaft Ungläubigen (wie ich einer gewesen bin). Diese Menschen sehen sich jedoch in der Regel selbst nicht als Ungläubige. Sie »wissen« einfach, dass das Gehirn das Bewusstsein hervorbringt, und sind nicht bereit, sich schweigend verrückte Ideen vom Geist, der über den Körper triumphiert, anzuhören (außer wenn sie aus reiner Freundlichkeit jemanden trösten wollen, wie ich es an jenem Tag mit Susanna zu tun glaubte).
Und dann gibt es noch eine mittlere Gruppe. Dazu gehören alle
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