Blicke windwärts
senkte den Kopf.
6 Widerstand formt den Charakter
QUILAN DACHTE ÜBER IHRE Schiffsnamen nach. Vielleicht war es ein hintergründiger Scherz, dass man ihn für die letzte Etappe seiner Reise an Bord eines ehemaligen Kriegsschiffes geschickt hatte – Eine Schnelle Angriffs-Einheit der Gangster-Klasse, die entmilitarisiert und zu einem Sehr Schnellen Patrouillenboot umgebaut worden war – mit dem Namen Widerstand Formt den Charakter. Das war ein spaßiger Name, wenn auch treffend. Viele ihrer Schiffsnamen waren so, auch wenn die meisten einfach nur komisch waren.
Chelgrianische Schiffe hatten romantische, sinnvolle oder poetische Namen, während die Kultur – die zwar auch ein paar Schiffe mit Namen ähnlicher Art hatte – eher ironische, verblüffend sinnlose, bewusst spaßige oder unverblümt alberne Namen liebte. Das lag vielleicht zum Teil daran, dass sie so viele Fahrzeuge hatten. Vielleicht spiegelte es den Umstand wider, dass ihre Schiffe ihre eigenen Herren waren und sich ihre Namen selbst aussuchten.
Als Erstes holte er tief Luft, als er an Bord des Schiffes ging und eine kleine Empfangshalle betrat, die mit einem auf Hochglanz poliertem Holzboden ausgelegt und mit blaugrünem Laubwerk eingerahmt war. »Es riecht nach…«, setzte er an.
~Heimat~, sagte die Stimme in seinem Kopf.
»Ja«, hauchte Quilan und empfand ein seltsames, schwächendes, angenehm trauriges Gefühl, und plötzlich dachte er an seine Kindheit.
~Pass auf, Junge.~
»Major Quilan, willkommen an Bord«, sagte das Schiff irgendwo aus dem Unbestimmten. »Ich habe der Luft einen Duft beigegeben, der die Erinnerung an die Atmosphäre um den Itir-See auf Chel im Frühling wach rufen soll. Ist Ihnen das angenehm?«
Quilan nickte. »Ja, ja. Gewiss.«
»Gut. Ihre Gemächer liegen direkt geradeaus. Bitte fühlen Sie sich wie zu Hause.«
Er hatte eine Kabine erwartet, die ebenso vollgestopft mit allem Möglichen sein würde wie diejenige, die man ihm auf der Ärgerniswert zugewiesen hatte, doch er wurde angenehm überrascht; das Innere der Widerstand formt den Charakter war auf eine Weise umgebildet worden, dass darin etwa ein halbes Dutzend Leute eine ziemlich komfortable Unterkunft hatten, anstatt enge Quartiere für viermal so viele zu bieten.
Das Schiff hatte keine Mannschaft und zog es vor, sich keines Avatars oder einer Drohne zu bedienen, um zu kommunizieren. Es sprach einfach aus der dünnen Luft direkt mit Quilan und erledigte banale Haushaltspflichten, indem es innere Manipelfelder schuf, sodass zum Beispiel Kleidung einfach so herumschwebte und sich anscheinend von selbst reinigte und zusammenfaltete und sortierte und wegräumte.
~Das ist, als ob man in einem Spukschloss wohnt~, sagte Huyler.
~Zum Glück ist keiner von uns abergläubisch.~
~Und das heißt, dass man die ganze Zeit abgehört, ausspioniert wird.~
~Das könnte man auch als eine Form von Ehrlichkeit auslegen.~
~Oder Arroganz. Diese Dinge wählen sich ihre Namen nicht ohne Hintergedanken aus.~
Widerstand formt den Charakter. Zumindest war dieser Name nicht besonders einfühlsam, wenn man die Umstände des Krieges bedachte. Versuchten sie ihm klar zu machen – und durch ihn ganz Chel –, dass es ihnen eigentlich gleichgültig war, was geschah, trotz all ihrer anders lautenden Beteuerungen? Oder vielleicht sogar, dass es ihnen nicht gleichgültig war und es ihnen Leid tat, dass es jedoch alles zu ihrem eigenen Besten geschehen war?
Wahrscheinlicher war allerdings, dass der Name das Schiffes auf purem Zufall beruhte. Manchmal herrschte eine gewisse Gleichgültigkeit um die Kultur, die andere Seite der Medaille der sagenhaften Gründlichkeit und Zielstrebigkeit der Gesellschaft, als ob die Gehirne sich hin und wieder dabei ertappten, dass sie übertrieben besessen und pingelig waren und dies wettzumachen versuchten, indem sie plötzlich etwas Frivoles oder Unverantwortliches taten.
Oder wurde es ihnen langweilig, die Guten zu sein?
Angenommen, sie waren unendlich geduldig, mit unerschöpflichen Quellen gesegnet, grenzenlos verständnisvoll, würde da nicht jedes vernünftige Gehirn, ob ein klein geschriebenes oder ein groß geschriebenes Gehirn, nicht irgendwann eine so fade Nettigkeit satt bekommen? Hätte man da nicht Lust, wenigstens ab und zu ein wenig Schabernack zu treiben, nur um zu beweisen, dass man dazu in der Lage ist?
Oder verrieten solche Gedanken nicht einfach nur sein eigenes Erbe animalischer Wildheit? Die Chelgrianer waren
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