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Blicke windwärts

Blicke windwärts

Titel: Blicke windwärts Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ian Banks
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Zustimmung zu den bestehenden Verhältnissen erkennen, außer des sich auferlegten Schweigens in allen politischen Angelegenheiten.
    Sein Prestige und seine Popularität nahmen immer mehr zu; eine Flut von Preisen, Auszeichnungen und Ehrentiteln wurde über ihn ausgeschüttet; in Umfragen rangierte er an erster Stelle als beliebtester lebender Chelgrianer; man sprach sogar davon, dass er eines Tages zum Präsidenten Zur Wahrnehmung Zeremonieller Aufgaben, kurz PWZA, ernannt werden könnte.
    Gefeiert und umjubelt als Berühmtheit von noch nie dagewesener Größe, benutzte er seine Dankesrede für die bedeutendste zivile Ehre, die der chelgrianische Staat verleihen konnte – eine großartige, schillernde Feier in Chelise, der Hauptstadt von Chelgria, die in der gesamten Sphäre des chelgrianischen Raums übertragen wurde – dazu, um zu verkünden, dass er seine Ansichten niemals geändert habe, dass er immer noch ein Liberaler und Äquilitarier sei und auf ewig bleiben würde, dass es ihn mit mehr Stolz erfüllte, an der Seite jener Leuten gearbeitet zu haben, die solche Ansichten vertraten, als dies durch seine Musik der Fall war, dass er in der Gegenwart die Kräfte des Konservativismus noch mehr verabscheute, als er dies in der Jugend getan hatte, dass er den Staat, die Gesellschaft und die Leute, die das Kastensystem duldeten, immer noch verachtete. Er würde diese Ehre nicht annehmen, er würde alle anderen Auszeichnungen, mit denen er bedacht worden war, zurückgeben, und er habe bereits die Reise gebucht, um den chelgrianischen Staat sofort und für immer zu verlassen, denn im Gegensatz zu den liberalen Genossen, die er so sehr liebte, achtete und bewunderte, habe er einfach nicht die moralische Kraft, um weiterhin in diesem bösartigen, hasserfüllten, unerträglichen Regime zu leben.
    Seine Rede wurde mit gelähmtem Schweigen aufgenommen. Als er die Bühne verließ, wurden Zischlaute und Buhrufe laut, und er verbrachte die Nacht im Gelände einer Kultur-Botschaft, an deren Pforte eine aufgebrachte Menge nach seinem Blut lechzte.
    Ein Kultur-Schiff holte ihn am darauf folgenden Tag ab. Im Lauf der nächsten paar Jahre unternahm er ausgedehnte Reisen innerhalb der Kultur und ließ sich schließlich auf Masaq’-Orbital nieder.
    Ziller war auch dann noch auf Masaq’ geblieben, als sieben Jahre nach seinem Weggang auf Chel ein äquilitarischer Präsident gewählt worden war. Reformen wurden auf den Weg gebracht, und die Unsichtbaren und die anderen Kasten wurden endlich gleichberechtigt, dennoch war Ziller trotz vieler Aufforderungen und Einladungen nicht in seine Heimat zurückgekehrt, ohne sich deswegen in irgendwelchen Erklärungen zu ergehen.
    Die Leute vermuteten als Grund dafür, dass das Kastensystem immer noch existierte. Um den höheren Kasten die Reformen schmackhaft zu machen, rang man sich zu dem Zugeständnis durch, dass die Titel und Kastennamen als Bestandteil der rechtlichen Nomenklatura des Einzelnen beibehalten würden und ein neues Eigentumsrecht den Besitz von Stammesland der unmittelbaren Familie des Oberhauptes sicherte.
    Im Gegenzug stand es nun allen gesellschaftlichen Schichten frei, untereinander zu heiraten und mit jedem Partner, der einem zugeneigt war, Nachkommen hervorzubringen; bei Paaren konnte jeder in die Kaste des höher Eingestuften übertreten, ihre Kinder würden die Kastenzugehörigkeit erben, gewählte Kastengerichte befassten sich mit der Neueingliederung von Antragstellern, das Gesetz zur Bestrafung von Leuten, die sich als Zugehörige einer höheren Kaste als der ihnen zukommenden ausgaben, wurde abgeschafft, und so konnte theoretisch jeder von sich behaupten, dieser oder jener Kaste anzugehören, ganz nach Belieben, obwohl man amtlicherseits immer noch den Kastentitel trug, der einem gemäß Geburt oder Neuzuordnung zustand.
    Das war eine tiefgreifende Abwendung vom alten System, sowohl rechtlich als auch im Umgang miteinander, aber es gab eben immer noch Kasten, und damit war Ziller anscheinend nicht zufrieden.
    Dann hatte die herrschende Koalition auf Chel einen Kastrierten zum Präsidenten gewählt, als wirkungsvolles, jedoch überraschendes Zeichen dafür, wie viel sich geändert hatte. Das Regime überlebte einen Umsturzversuch, durchgeführt von einigen Offizieren der Garde, und ging offenbar gestärkt aus dem Ereignis hervor; Macht und Autorität waren jetzt anscheinend noch breiter verteilt und hatten sich unwiderruflich bis zur untersten Sprosse der

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