Blicke windwärts
fühlen wie jetzt, anstatt mich besser zu fühlen, denn wenn ich mich besser fühlte, würde das bedeuten, dass ich nicht mehr der bin, der sie noch liebt, und das könnte ich nicht ertragen.«
Er sah den alten Mönch mit Tränen in den Augen an.
Fronipel lehnte sich zurück und blinzelte. »Du musst daran glauben, dass sich selbst das ändern kann, und es bedeutet nicht, dass du sie weniger liebst.«
An diesem Punkt fühlte sich Quilan beinahe so gut, wie er sich gefühlt hatte, als man ihm gesagt hatte, dass Worosei tot war. Es war keine Freude, aber es war eine Art Leichtigkeit, eine gewisse Klarheit. Er spürte, dass er endlich zu einer Art Entscheidung gekommen war oder jedenfalls kurz davor stand. »Ich kann das nicht glauben, Kustos.«
»Was dann, Tibilo? Soll dein Leben in Traurigkeit versinken, bis du eines Tages stirbst? Möchtest du das? Tibilo, ich erkenne keine derartigen Anzeichen in dir, aber in der Trauer kann auch eine Form von Eitelkeit stecken, wenn sie mehr mit Genugtuung als mit Gram erlitten wird. Ich habe Leute kennen gelernt, die gefunden haben, dass Kummer und Traurigkeit ihnen etwas geben, das sie bis dahin nicht gehabt hatten, und wie schrecklich und wirklich ihr Verlust auch gewesen sein mochte, sie hatten beschlossen, dieses Schicksal mit liebkosenden Armen zu umfangen und zu hegen, anstatt es zu überwinden. Ich möchte auf keinen Fall sehen, dass du solchen emotionalen Masochisten auch nur entfernt ähnelst.«
Quilan nickte. Er versuchte, ruhig zu erscheinen, doch während der Alte gesprochen hatte, war eine beängstigende Wut durch ihn gebraust. Er wusste, dass Fronipel es gut meinte und es seine ernsthafte Meinung war, wenn er sagte, dass er Quilan nicht für eine solche Person hielt, doch allein schon der Vergleich mit solcher Selbstsucht, solcher Befriedigung der eigenen Lust an der Qual, ließ ihn vor Zorn beinahe erbeben.
»Ich hatte gehofft, ich würde in Ehren sterben, bevor ein solcher Vorwurf gegen mich vorgebracht würde.«
»Willst du das wirklich, Tibilo? Sterben?«
»Ich bin zu dem Schluss gelangt, dass das der beste Ausweg ist. Und je mehr ich darüber nachdenke, desto besser erscheint er mir.«
»Und wie man hört, führt Selbstmord zu vollkommenem Vergessen.«
Die alte Religion hatte eine zwiespältige Einstellung zum Selbstmord gehabt. Es hatte nie eine ausdrückliche Ermutigung dazu gegeben, doch unterschiedliche Ansichten über richtig oder falsch hatten sich über Generationen fortgesetzt. Seit der Schaffung eines echten und nachweisbaren Himmels wurde von den Chelgri-Puen entschieden dagegen geraten – in der Folge einer wahren Flut von Selbstmorden –, indem sie erklärten, dass jene, die sich selbst töteten, um schneller in den Himmel zu kommen, dort gar nicht eingelassen würden. Sie würden nicht einmal im Limbus behalten werden; sie würden überhaupt nicht errettet werden. Nicht alle Selbstmorde würden notwendigerweise so streng geahndet werden, aber der Eindruck entstand, dass es auf jeden Fall besser war, einen unanfechtbaren Grund zu haben, wenn man mit dem eigenen Blut an den Händen an der Pforte zum Paradies auftauchte.
»Das wäre ohnehin wenig ehrenhaft, Kustos. Ich möchte lieber sinnvoll sterben.«
»Im Kampf?«
»Am liebsten.«
»In deiner Familie besteht keine große kriegerische Tradition, Tibilo.«
In Quilans Familie gab es seit tausend Jahren nur Landbesitzer, Händler, Bankiers und Makler. Er war seit Generationen der erste Sohn, der mit ernsthaft tödlichen Absichten eine Waffe trug, und nicht nur als Schmuck zu feierlichen Anlässen.
»Vielleicht ist es an der Zeit, dass eine solche Tradition beginnt.«
»Der Krieg ist vorbei, Tibilo.«
»Es gibt immer Kriege.«
»Die wenigsten sind ehrenhaft.«
»Man kann in einem ehrenhaften Krieg einen unehrenhaften Tod sterben. Warum sollte das Gegenteil nicht auch der Fall sein?«
»Und doch befinden wir uns hier in einem Kloster, nicht im Schulungsraum einer Kaserne.«
»Ich bin hergekommen, um nachzudenken, Kustos. Ich habe mich nicht von meinem Auftrag losgesagt.«
»Dann bist du also entschlossen, in die Armee zurückzukehren?«
»Ich glaube schon.«
Fronipel sah seinem jüngeren Gegenüber eine Weile ins Gesicht. Schließlich richtete er sich auf seiner Seite des Doppelsofas auf und sagte: »Du bist Major, Quilan. Ein Major, der seine Truppen nur aus dem Grund anführt, weil er sterben möchte, könnte ein wirklich gefährlicher Offizier sein.«
»Ich möchte meine
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