Blind Date mit Folgen - Roman
aufzuräumen.
Jetzt, wo er mit der Agentur am Ziel angekommen war, fehlte ihm etwas. Er war stolz auf seinen Sohn, hatte eine begehrenswerte Frau und konnte seiner Familie den Luxus bieten, den sie verdiente. Wo also lag das Problem? Mit 35 sei es, so dachte er, für eine Midlife-Crisis viel zu früh und an ein Burn-out glaubte er nicht. Irgendwie schien sein Leben Routine geworden zu sein und ihre Beziehung lief praktisch jeden Tag nach dem gleichen Schema ab.
Er fing jetzt an, das Bücherregal zu bearbeiten und wirbelte zwischen den Büchern so viel Staub auf, dass er heftig niesen musste. Wann war denn die Putzfrau das letzte Mal hier gewesen? Er musste das unbedingt Deborah sagen, sie sollte das prüfen. Nicht, dass er selbst schon einmal ein Staubtuch in die Hand genommen hätte. Doch kontrollierte man einmal, fand man auch gleich etwas.
Deborah war ihm damals gleich aufgefallen. Knapp neun Jahre war es her, seit sie sich auf einer Hochzeit begegnet waren. Sie war groß, hatte eine tolle Figur und ihr rotes Haar fiel seidig über ihre Schultern. Alex konnte seine Augen nicht mehr von der Unbekannten lassen, die die Hochzeitsgesellschaft mit ihrer Schönheit überstrahlte.
»Oh, hallo, lerne ich nun den Mann kennen, der mich die ganze Zeit beobachtet?«, fragte Deborah kess und blickte ihn herausfordernd an. Genau diese lässige Art faszinierte ihn an ihr. Sie hatte einen kühlen Charme, der ihn unglaublich reizte. Deborah Villeneuves adlige Eltern, vor allem ihr Vater, zeigten wenig Begeisterung, als der Sprachstudent, der damals noch in einer PR-Agentur jobbte, ein Jahr später um die Hand ihrer Tochter anhielt. Finanziell ging es ihm zwar nicht schlecht, weil er schon damals viele Überstunden leistete und von allen Mitarbeitern jeden Monat die größte Anzahl Neukunden akquirierte. Weil er auf Kommissionsbasis angestellt war, gab es Zeiten, wo er sogar richtig gut verdiente. So konnte er es sich leisten, Deborah auszuführen. Doch als ehemaliger Bankier hatte Peter Villeneuve sich mindestens einen Arzt oder Anwalt als Schwiegersohn erhofft, nur kamen die Villeneuves mit ihren Einwänden – von denen er sehr wohl gewusst hatte – nicht gegen die Dickköpfigkeit ihrer Tochter an, und so hatten sie ohne die ausdrückliche Zustimmung der Eltern geheiratet.
Als Alex vor einem halben Jahr anfing zu chatten, war er nicht auf der Suche nach einem Abenteuer gewesen, wie sein Freund Chris immer behauptete, denn auch hier deckte Deborah all seine Bedürfnisse ab. Er wollte sich lediglich auf harmlose Art unterhalten, neue Leute kennenlernen, ohne dass dabei etwas entstehen musste. Es sollte anonym und oberflächlich bleiben und er hatte sich nicht einmal zu einem Flirt hinreißen lassen. Als Chris ihn einmal fragte, warum er denn seine Zeit mit Unbekannten am Computer verbringe, wo er doch Frau und Kind habe, mit denen er jederzeit lachen und es lustig haben könne, war ihm keine gescheite Antwort eingefallen.
»Wenn du Abwechslung brauchst, warum suchst du sie nicht auf dem Golfplatz? Da weißt du wenigstens gleich, was du bekommst«, war eine von Chris’ dämlichen Bemerkungen gewesen. Sein Freund wusste jedoch genau, dass Alex sich nie mit jemandem aus dem Internet getroffen hatte, obwohl die Gelegenheit dazu bestand. Ebenso wenig reizte ihn eine Golf-Affäre. Es war überhaupt keine Affäre, die er suchte. Deborah wusste von seinen Chat-Sessions, schien sich aber nicht daran zu stören. Sie war nicht die Sorte Frau, die über alle Tätigkeiten ihres Gatten genau Bescheid wissen musste. Sie brauchte ihre Freiheit und gönnte ihrem Ehemann seinen Rückzugsort. Sie hatte begriffen, dass er eine Möglichkeit benötigte, um hin und wieder aus dem Alltag auszubrechen und der Chat für ihn genau dieses Refugium darstellte. Einmal hatte sie ihm zu verstehen geben, dass sie es bevorzugte, wenn er zu Hause bei seiner Familie war und gelegentlich chattete, als dass er ständig in irgendwelchen Bars herumstreunte.
»Und, hast du die Antwort im Netz gefunden?« Deborahs Stimme klang bedrohlich in seinem Rücken. Sie stand offenbar im Türrahmen. »Oder ignorierst du mich absichtlich?« Er hörte mit dem Staubwischen auf und drehte sich um.
»Falls du weiter über Italien diskutieren willst«, erwiderte er und zwang sich dabei zu einem ruhigen Ton, »– dazu habe ich im Moment keine Lust. Lass uns in ein paar Wochen sehen, okay?«
Ihre Augen funkelten. Dicke Luft. Sie stapfte aus dem Zimmer und er wandte sich dem
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