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Blind vor Wut

Blind vor Wut

Titel: Blind vor Wut Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: J Thompson
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ihre gewählten Vertreter.
    Man muss sich ja nur mal anschauen, wie Geisteskrankheiten behandelt werden, um Bescheid zu wissen. Wir ketten unsere Irren nicht mehr auf dem Dach an, um sie als Wachhunde zu benutzen. Wir stellen sie nicht mehr zum Amüsement der sogenannten Gesunden aus.
    Wir sperren sie einfach ein, geben ihnen keine Pflege oder nur so beschämend wenig, dass es genauso schlimm oder noch schlimmer ist, wie sie allein zu lassen. Im großen Staate Kalifornien, wahrscheinlich der reichste und am dichtesten besiedelte Staat der USA, bekommen die Patienten einer Anstalt den Psychiater für höchsten fünfzehn bis zwanzig Minuten im Monat zu sehen – wenn er sich überhaupt mal sehen lässt –, und die sanitären Einrichtungen sind so spärlich, dass sich die Menschen auf den Gängen erleichtern müssen. Doch als der Gouverneur des Staates der Anstalt einen Besuch abstattete, wurden die Rasenflächen grün angestrichen – ja, tatsächlich angestrichen , damit sie einen hübscheren Anblick boten. Und er fand die Bedingungen dort so befriedigend, dass er den Etat noch weiter kürzte.
    Kampf der Scheiße, wie wahr! Ich neige zu der Ansicht, der größte Unterschied zwischen den Insassen einer Irrenanstalt und ihren Wärtern besteht darin, dass die Wärter im Besitz der Schlüssel sind.
    Also …
    Also so viel dazu.
    Der Vormittag ging irgendwie vorüber, meine Frau brachte mir das Mittagessen auf einem Tablett ins Büro. Ich meinte, mir sei nicht nach Essen zumute, aber ich dankte ihr und tätschelte ihr ein wenig die Hand.
    »Warum isst du es nicht?«, fragte ich. »Das schaffst du sicherlich.«
    Sie sah mich neugierig an und betrachtete verwundert ihre Hand, die ich getätschelt hatte. Dann schüttelte sie den Kopf.
    »Schätze, ich ess eh schon zu viel«, meinte sie. »Ich brauch ’ne richtig strenge Diät, und die mach ich auch.«
    »Aber nicht meinetwegen«, erwiderte ich. »Tut mir leid, wenn ich, hin und wieder, ein paar spitze Bemerkungen gemacht habe. Ich habe das nicht so gemeint.«
    »Ich mach eine Diät«, wiederholte sie mit fester Stimme. »Ich tu – ich werde auch noch andere Sachen machen.«
    »Tja …«, ich zögerte. »Jeder von uns hat noch Entwicklungspotenzial. Vor allem ich, fürchte ich.«
    »Ja, Dokta … Doktor «, sagte sie und ließ mich wieder allein.
    Ich sank zurück in meinen Sessel und schloss die Augen. Ich ruhte mich aus, versuchte es zumindest; denn in Gedanken kehrte ich zu der Zeit zurück, als meine Frau und ich einander kennenlernten. Es war im ersten Jahr meiner Weiterbildung, und ich hatte eine Gallenblase zu entfernen. Meine erste wichtige Operation; bis dahin hatte ich kaum mehr als Handlangerdienste geleistet.
    Der Patient wurde aus reiner Wohltätigkeit behandelt, angeblich war er schon zu krank, um sich wieder zu erholen. Niemand assistierte mir, da alle, die dazu imstande gewesen wären, beschäftigt waren. Angeblich. Alle, die dazu imstande waren, waren zudem weiß. Kurz gesagt, ich sollte versagen, und das wäre das Ende meiner Karriere gewesen.
    Liz – die ich später heiraten sollte – wurde von den Scheinheiligsten unter den Mächtigen toleriert, ja sogar gemocht. Sie war immer bescheiden, stets guter Laune und jederzeit bereit, auch noch über den gröbsten Witz zu lachen, der auf ihre Kosten gerissen wurde. Sie machte sich ständig kleiner, dabei war sie zweifellos die allerbeste Krankenschwester in diesem Haus. Oder in jedem anderen.
    Die Operation verlief erfolgreich, doch eigentlich hatte sie sie durchgeführt, nicht ich. Ich war kaum mehr als ein Beobachter, der tat, was sie mir sagte.
    Das war nur die erste in einer ganzen Reihe von Operationen, die sie für mich durchführte. Ich beobachtete sie und lernte, bis auch ich genug Erfahrung gesammelt hatte, um mich des Titels eines Chirurgen würdig zu erweisen.
    Es war schwer, meine Schuld ihr gegenüber zu vergessen, und ebenso schwer, meine daraus resultierende Verachtung zu verbergen.
    Es war leichter, als sie noch jung und attraktiv war und ich noch ganz erfüllt vom Egoismus der Jugend. Aber ich verzieh ihr nie, dass sie mir eine Schuld auferlegt hatte, die ich niemals zurückzahlen konnte, und meine Verachtung wurde mit den Jahren immer größer.
    Durch den Liebesentzug, durch die Bekräftigung, doch im Essen Ersatz zu suchen, durch unentwegten Spott hatte ich am Ende meine Rache. Sie war zu der lächerlichen Gestalt geworden, die ich immer aus ihr hatte machen wollen.
    Nun, nach so langer

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