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Blind

Blind

Titel: Blind Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Joe Hill
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sich aus. Graue, verschwommen geisterhafte Schatten nahmennach und nach Gestalt an. Der Flur lag still da. Im Stall grunzten die Schweine. Übel riechender Schweiß erkaltete auf Judes Gesicht.
    Er blieb eine Zeit lang ruhig liegen. Seine Ohren pochten. Seine Hand pochte. Dann stemmte er die Fersen in den Boden, schob sich bis zur Wand und rutschte mit dem Rücken ein Stück die Wand hoch, bis er aufrecht saß. Er ruhte sich wieder kurz aus.
    Schließlich rutschte er mit dem Rücken weiter die Wand hinauf, bis er ganz auf den Beinen stand. Er schaute durch die demolierte Gittertür. Von seinem Vater keine Spur. Er musste direkt hinter der Stallwand liegen.
    Jude stieß sich ab, ging schwankend zur Gittertür und stützte sich links und rechts am Rahmen ab, um nicht selbst in den Stall zu fallen. Seine Beine zitterten heftig. Er beugte sich vor, und in diesem Augenblick schoss eine Hand nach oben und packte Jude am Bein.
    Jude schrie auf, wich zurück und trat nach Martins Hand. Wie die auf Glatteis ausrutschende Witzblattfigur taumelte er mit wild rudernden Armen durch den Flur in die Küche, wo er sich schließlich nicht mehr auf den Beinen halten konnte und hinschlug.
    Martin kroch durch die zerfetzte Gittertür in den Flur, kroch auf allen vieren in die Küche, kroch auf Judes Körper, hob die Hand, in der etwas wie ein silberner Funke aufblinkte, und ließ sie niedersausen. Jude riss den linken Arm hoch, und das Rasiermesser schlitzte seinen Unterarm bis zum Knochen auf. Blut spritzte in die Luft.
    Die Handfläche seiner linken Hand war zwar verbunden, aber die Finger waren frei, sie schauten aus dem Mull wie aus einem Handschuh, an dem man die Finger abgeschnitten hatte. Sein Vater hob gerade das Rasiermesser zum nächsten Hieb, als Jude seine Finger in Martins rot schimmernde Augen bohrte. Der alte Mannschrie auf, riss den Kopf zurück und versuchte die Hand seines Sohnes abzuschütteln. Er fuchtelte mit dem Rasiermesser vor Judes Gesicht herum, ohne es zu berühren. Jude drückte den Kopf seines Vaters immer weiter zurück, bis er nur noch dessen nackten, dünnen Hals sah und sich fragte, ob er den Kopf weit genug zurückdrücken konnte, um das Genick des alten Wichsers zu brechen.
    Er hatte Martins Kopf zurückgedrückt, so weit es ging, als plötzlich ein Küchenmesser von der Seite in Martins Hals schoss.
    Marybeth stand etwa drei Schritte entfernt vor der Küchentheke. Neben ihr an der Wand hing eine Magnetleiste mit Messern. Sie atmete in schluchzenden Stößen. Judes Vater wandte den Kopf und starrte sie an. Luftblasen schäumten auf dem Blut, das rund um das Heft des Messers aus dem Hals quoll. Martin griff nach dem Messer, seine Finger legten sich kraftlos um den Griff, dann drang ein rasselndes Atemgeräusch aus seinem Hals – es hörte sich an, als schüttelte jemand einen Stein in einer Papiertüte. Dann knickte er in der Hüfte wie eine Stoffpuppe ein und kippte nach vorn.
    Marybeth nahm ein weiteres Messer von der Magnetleiste, eines mit einer breiten Klinge, dann noch eines. Sie fasste das erste an der Spitze der Klinge und schleuderte es in Martins Rücken. Das tiefe, hohle Tschonk hörte sich an, als hätte sie das Messer in eine Melone geworfen. Martins einzige Reaktion auf den zweiten Wurf war ein kurzes, scharfes Schnaufen. Als Marybeth sich auf Martin zubewegte, hielt sie das letzte Messer ausgestreckt vor sich.
    »Bleib weg«, sagte Jude. »Der legt sich nicht einfach hin und stirbt.« Sie achtete nicht auf ihn.
    Dann stand sie vor Judes Vater. Sie blickte auf ihn hinunter, und er schaute zu ihr hoch. Mit einer blitzschnellen Bewegung zog ihm Marybeth das Messerdurchs Gesicht. Es drang dicht neben dem einen Mundwinkel ein, fuhr neben dem anderen Mundwinkel wieder heraus und verwandelte seinen Mund in eine große, grellrot klaffende Wunde.
    Im selben Moment holte Martin aus und schlug mit seiner rechten Hand zu, der Hand, in der er das Rasiermesser hielt. Die Klinge schlitzte ihr direkt über dem rechten Knie eine rote Linie ins Bein, das sofort einknickte.
    Während Marybeth zusammensackte, sprang Martin brüllend auf, rammte sie mit einem fast perfekten Bodycheck in den Bauch gegen die Küchentheke, worauf sie ihm bis zum Heft ihr letztes Messer in die Schulter rammte. Wenn es nötig gewesen wäre, hätte sie es auch mühelos in einem Baumstumpf versenken können.
    Sie rutschte an der Küchentheke auf den Boden hinab. Judes Vater stand vorgebeugt über ihr. Das Messer steckte immer noch

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