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Blind

Blind

Titel: Blind Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Joe Hill
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Regen aus dem Fenster meinesKinderzimmers geschaut habe. Zehn Minuten lang. Man konnte nie wissen, welche Frage ihr als Nächstes einfallen würde. Wir waren echt dicke Kumpels. Ich kapiere das nicht. Ich meine, klar, sie hatte Depressionen. Hat sie mir ja selbst erzählt. Aber sie hat sich immer dagegen gewehrt. Hätte sie nicht einen von uns angerufen, wenn sie so was vorgehabt hätte … ich meine, hätte sie einem von uns nicht wenigstens die Chance gegeben, dass er ihr's wieder ausredet?«
    »Schätze nicht.«
    Danny sah aus, als wäre er in den letzten paar Minuten irgendwie geschrumpft, als hätte er sich in sich selbst zurückgezogen. »Und ihre Schwester, die glaubt also, dass es deine Schuld ist?«, sagte er. »Das ist… das ist doch Wahnsinn.« Seine Stimme klang etwas dünn, und Jude dachte, dass er sich nicht so anhörte, als ob er sich vollkommen sicher sei.
    »Schätze schon.«
    »Emotionale Probleme hatte sie schon lange, bevor sie dich getroffen hat«, sagte Danny und hörte sich nun schon wieder selbstsicherer an.
    »Ich glaube, das liegt in der Familie«, sagte Jude.
    Danny beugte sich wieder nach vorn. »Ja. Stimmt wohl. Aber was zum Henker …? Annas Schwester hat dir also den Geist verkauft? Den Anzug von dem Toten? Was zum Teufel ist hier los? Warum wolltest du sie überhaupt anrufen? Was ist da passiert?«
    Jude wollte Danny nicht erzählen, was er letzte Nacht gesehen hatte. Unter dem Eindruck der bitteren Wahrheit von Floridas Tod war er sich momentan nicht mal mehr völlig sicher, was er überhaupt gesehen hatte. Der alte Mann, der um drei Uhr morgens vor seinem Zimmer auf dem Flur gesessen hatte, kam ihm nun nicht mehr so real vor.
    »Der Anzug, den sie mir geschickt hat, ist eine Art symbolische Todesdrohung. Sie hat uns mit einemTrick dazu gebracht, dass wir das Ding kaufen. Aus irgendeinem Grund konnte sie ihn mir nicht einfach schicken, ich musste erst dafür bezahlen. Hab nicht den Eindruck, dass besondere Klarheit im Denken eine ihrer Stärken ist. Egal, jedenfalls habe ich vom ersten Moment an gewusst, dass mit dem Anzug was nicht stimmt. Diese bescheuerte herzförmige Schachtel in Schwarz und dann – ich weiß, das hört sich jetzt ein bisschen paranoid an – die Nadel, die in dem Anzug versteckt war, damit sich jemand dran sticht.«
    »Da war eine Nadel drin versteckt? Hast du dich etwa gestochen?«
    »Nein. Aber Georgia. Ziemlich schlimm sogar.«
    »Ist sie okay? Glaubst du, dass an der Nadel irgendwas dran war?«
    »Du meinst, Arsen oder so was? Nein. Ich habe nicht den Eindruck, dass unsere Jessica Price aus Psychoville, Florida, so dumm ist. Total durchgeknallt, ja, aber nicht dumm. Sie will nicht, dass ich in den Knast gehe, sie will mir Angst einjagen. Sie hat gesagt, dass ich mit dem Anzug auch den Geist ihres Stiefvaters bekommen hätte, und der lässt mich nun dafür bezahlen, was ich Anna angetan habe. Die Nadel gehört wahrscheinlich zu dem ganzen Voodookram dazu, was weiß ich. Wo ich aufgewachsen bin, das war nicht weit weg vom Louisiana Panhandle. Da wimmelt's nur so von zahnlosen Opossumfressern, Abschaum in Wohnwagensiedlungen, denen spuken die schrägsten Sachen durch die Birne. Da unten zuckt keiner mit der Wimper, wenn einer mit einer Dornenkrone auf dem Schädel hinter der Theke steht und Donuts verkauft.«
    »Soll ich die Polizei rufen?«, fragte Danny. Er fing sich allmählich wieder. Seine Stimme klang nicht mehr so atemlos, seine Selbstsicherheit kehrte zurück.
    »Nein.«
    »Sie hat dein Leben bedroht!«
    »Wer sagt das?«
    »Du. Ich auch. Ich hab alles mit angehört.«
    »Was hast du gehört?«
    Danny schaute einen Augenblick, senkte dann die Augenbrauen und lächelte träge. »Alles, was du sagst, dass ich es gehört habe.«
    Unwillkürlich erwiderte Jude das Grinsen. Danny war schamlos. Im Augenblick wusste Jude gar nicht, warum er Danny hin und wieder nicht ausstehen konnte.
    »Ach was«, sagte Jude. »Die Sache erledige ich auf andere Art. Aber ich hab trotzdem eine Aufgabe für dich. Nachdem Anna ausgezogen war, hat sie von zu Hause noch ein paarmal geschrieben. Keine Ahnung, wo ich die Briefe gelassen habe. Mach dich mal auf die Suche.«
    »Klar, werden sich schon irgendwo finden.« Danny beäugte ihn wieder nervös. Auch wenn er seine gute Laune wiedergefunden hatte, die Farbe war noch nicht wieder in sein Gesicht zurückgekehrt. »Jude … wie meinst du das … dass du die Sache auf andere Art erledigst?« Er biss sich auf die Unterlippe und

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