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Blind

Blind

Titel: Blind Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Joe Hill
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abgeblasen.«
    »Du hast fünf Glückslinien«, sagte sie. »Du bist einrichtig fettes Glücksschwein, Judas Coyne. Für alles, was dein Vater dir angetan hat, zahlt die Welt dir bis heute zurück. Fünf Glückslinien. Keine Chance, dass die Welt dir jemals alles zurückzahlen kann.« Sie legte seine Hand beiseite. »Der Bart, die dicke Lederjacke, der dicke schwarze Wagen, die dicken schwarzen Stiefel. Kein Mensch baut sich so einen Schutzpanzer auf, wenn er nicht von jemandem zu Unrecht sehr verletzt worden ist.«
    »Das sagt gerade die Richtige«, sagte er. »Hast du noch irgendwo ein Stück Haut, in dem noch keine Nadel oder Ring drinsteckt?« Sie hatte sie in den Ohren, in der Zunge, in einer der Brustwarzen, in den Schamlippen.
    »Wem willst du damit Angst einjagen?«
    Ein paar Wochen, bevor er ihre Sachen zusammenpackte, las Anna ihm das letzte Mal aus der Hand. Eines frühen Abends schaute er aus dem Küchenfenster und sah, wie sie nur in schwarzem Oberteil und Slip durch den kalten Oktoberregen zur Scheune stapfte. Ihr nacktes Fleisch war erschreckend blass.
    Er lief nach draußen, erreichte sie aber erst, als sie schon in den Hundezwinger gekrochen war, in den Teil im Inneren der Scheune, wohin sich Angus und Bon zurückzogen, wenn es regnete. Sie saß auf dem Boden, an ihren Oberschenkeln klebte Dreck. Die Hunde schlichen um sie herum, schauten ängstlich in ihre Richtung und hielten Abstand.
    Jude kroch auf allen vieren in den Zwinger. Er war wütend auf sie, hatte die Schnauze gestrichen voll von den letzten Monaten. Er hatte genug davon, mit ihr zu reden und nur stumpfsinnige Drei-Wörter-Antworten zu bekommen, hatte genug davon, dass sie grundlos in Gelächter oder Tränen ausbrach. Sie schliefen nicht mehr miteinander. Schon der Gedanke daran widerte ihn an. Sie wusch sich nicht mehr, zog sich keine sauberen Sachen mehr an, putzte sich nicht mehr die Zähne. Ihr honiggelbesHaar war ein einziges verfitztes Knäuel. Die letzten paar Male, als sie versucht hatten, miteinander zu schlafen, war ihm bei den Sachen, die sie von ihm gewollt hatte, alles vergangen. Es war ihm peinlich gewesen und hatte ihn angewidert. Bis zu einem gewissen Grad hatte er nichts gegen ein paar perverse Spielchen. Wenn sie es wollte, fesselte er sie oder quetschte ihre Nippel ein oder steckte ihn ihr in den Arsch. Aber sie gab sich nicht damit zufrieden. Sie wollte, dass er ihr eine Plastiktüte über den Kopf zog, dass er ihr Schnittwunden zufügte.
    Sie kauerte vornübergebeugt auf dem Boden und hielt eine Nadel in der Hand. Sie stach sich die Nadel in den Daumen der anderen Hand, wobei sie entschlossen und überlegt vorging. Sie stach sich ins Fleisch, stach dann noch einmal und drückte sich fette, wie Perlen glitzernde Blutstropfen aus dem Daumen.
    »Was zum Teufel machst du da?«, fragte erste, wobei er sich vergeblich bemühte, sich seinen Zorn nicht anmerken zu lassen. Er hielt ihr Handgelenk fest, damit sie aufhörte, sich zu stechen.
    Sie ließ die Nadel in den Dreck fallen, machte sich von ihm los, nahm seine Hand, drehte die Handfläche nach oben und schaute auf sie hinunter. Die Augen in den dunklen, geschwollen aussehenden Höhlen glänzten fiebrig. Sie schlief höchstens nur noch drei Stunden pro Nacht.
    »Dir geht die Zeit fast genauso schnell aus wie mir. Ich werde nützlicher sein, wenn ich weg bin. Ich bin schon weg. Wir haben keine Zukunft. Jemand wird kommen und dich verletzen. Jemand, der dir alles nehmen will.« Sie bewegte die Augen nach oben und schaute ihm ins Gesicht. »Jemand, gegen den du dich nicht wehren kannst. Du wirst dich trotzdem wehren, aber du kannst nicht gewinnen. Du wirst nicht gewinnen. Alles Gute in deinem Leben wird bald vorüber sein.«
    Ängstlich winselnd drängte sich Angus zwischen die beiden und vergrub die Schnauze in Annas Schritt. Sielächelte – das erste Lächeln, das er seit Monaten von ihr sah – und kraulte ihn hinter den Ohren.
    »Wenigstens bleiben dir immer die Hunde«, sagte sie.
    Er entwand sich ihrem Griff, packte sie an beiden Armen und zog sie hoch. »Ich höre dir nicht mehr zu. Du hast mir jetzt mindestens drei Mal mein Schicksal vorausgesagt, und jedes Mal ist es eine andere Geschichte.«
    »Ich weiß«, sagte sie. »Und trotzdem stimmen sie alle.«
    »Warum hast du dich mit der Nadel gestochen? Warum machst du das?«
    »Das mache ich schon, seit ich ein kleines Mädchen war. Manchmal, wenn ich mich ein paarmal steche, dann schaffe ich es, dass meine bösen

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