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Blinde Angst

Titel: Blinde Angst Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: George D Shuman
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erinnerte.
    Sie fasste sich ans Gesicht und spürte Verbandsmull auf der Wange. Warum sie sie gefoltert hatten, wusste sie nicht, es sei denn, sie waren Terroristen. Vielleicht hatten sie ja alles gefilmt, was sie mit ihr gemacht hatten. Sie wagte sich gar nicht vorzustellen, wie es für ihre Eltern sein musste, wenn sie in irgendeiner Botschaft oder auf einem Polizeirevier saßen und sich den Film ansehen mussten.
    Sie wollte den Verband abziehen, als sich in der Dunkelheit hinter ihr etwas bewegte. Sie schrie auf und machte eine verzweifelte Bewegung zur Tür hin, als sie eine Hand sah. Es war eine kleine Hand, die Finger gekrümmt, und sie streckte sich langsam zu ihr aus.
    Jill stieß sie zurück und begann zu wimmern.
    Sie hörte leise Worte in einer Sprache, die wie Russisch klang, dann Deutsch, dann Englisch, ehe Jill schließlich nickte, um zu sagen, dass sie sie verstand.
    »Ist ja gut«, sagte die Frau beruhigend und legte ihr die Hand auf die Stirn. »Ist ja gut.« Sie strich Jill übers Haar. »Ich tu dir nichts.«
    Jill sah die Frau verständnislos an.
    »Wo bin ich?«
    »Haiti«, antwortete die Frau.
    Jill begann zu weinen, und die Frau nahm sie in die Arme.
    »Ich bin Aleksandra, aus Polen.«
    Jill weinte, bis sie nicht mehr konnte. Dann drehte sie den Kopf, um die Frau anzusehen. »Warum sind wir hier?«
    »Das sind Händler«, sagte Aleksandra langsam und hielt das junge Mädchen weiter im Arm.
    »Ich verstehe nicht«, erwiderte Jill. »Was habe ich denn getan?«
    »Nichts, Schätzchen.« Aleksandra streichelte ihr weiter übers Haar.
    »Aber was wollen die denn von mir?«
    Aleksandra sagte nichts. »Ruh dich erst mal ein Weilchen aus.«
    »Händler – du meinst, mit Drogen?«
    »Menschen«, antwortete Aleksandra.
    »Du meinst, sie wollen uns verkaufen?«
    Aleksandra sah sie nur an.
    »Nein!«, rief Jill. »Nein!«
    Jill hatte bisher nichts erlebt, was sich auch nur annähernd mit dem hier vergleichen ließ. Sie kannte nicht einmal jemanden, der schon einmal vergewaltigt worden war, geschweige denn entführt, mehrfach vergewaltigt und in eine Zelle gesperrt, um verkauft zu werden – wenn diese Frau die Wahrheit sagte. Sie konnte es einfach nicht glauben, und selbst wenn es stimmte, war Jill dennoch tief in ihrem Inneren überzeugt, dass ihre Entführung ein Irrtum sein musste. Die Leute, die sie verschleppt hatten, mussten sie mit jemand anderem verwechselt haben. Sie war einfach nur zur falschen Zeit am falschen Ort gewesen.
    Ihr Vater hatte den Mädchen immer wieder eingeschärft, dass nichts unmöglich war, dass sie nur mit der richtigen Person sprechen mussten – dann ließ sich jedes Problem lösen. Jill war überzeugt, wenn sie mit demjenigen sprechen konnte, der in diesem Gebäude das Sagen hatte, dann ließ sich die Sache regeln. Sie brauchte den Leuten nur zu sagen, wer ihre Eltern waren. Sie musste ihnen klarmachen, dass sie viel Geld wert war, wenn sie sie unversehrt freiließen – viel mehr Geld, als sie auf dem Schwarzmarkt für sie bekommen konnten.
    Nicht dass Jill daran gezweifelt hätte, dass ihre Lage sehr ernst war. Das hier war wesentlich schlimmer, als in das falsche Stadtviertel zu geraten oder auf der falschen Party zu landen. Trotzdem erschien ihr das Ganze irgendwie unlogisch. Diese Männer konnten viel mehr gewinnen, wenn sie sie freiließen. Sie würde ihnen bestimmt keine Schwierigkeiten machen. Es wäre doch ganz im Sinne der Entführer, wenn sie sie laufen ließen, bevor die Polizei sie fand. Bob und Carol Bishop würden niemals aufhören, nach ihrer Tochter zu suchen, das würden sie den Behörden und der Regierung auf dieser Insel schon klarmachen. Und sie würden für die Rückkehr ihrer Tochter jede Summe zahlen, ohne irgendwelche Fragen zu stellen. Sie würden die Entführer unbehelligt lassen.
    Wenn das nicht funktionierte, würden sie Profis anheuern -Leute, die genau wussten, was sie zu tun hatten, um sie zu finden. Das sollte die Entführer in jedem Fall überzeugen.
    Diese Frau hier bei ihr, diese Aleksandra, hatte diese Möglichkeiten vielleicht nicht. Wahrscheinlich suchte niemand mehr nach ihr. Man hatte sie wohl schon aufgegeben und vergessen.
    Mit Geld würde sich das alles regeln lassen. Und wenn sie mit den Leuten verhandelte, würden sie vielleicht auch Aleksandra freilassen. Sie begann an die Tür zu klopfen und nach den Wachen zu rufen. Sie wollte wissen, wer hier das Sagen hatte.
    Aleksandra zog sie zurück, drückte sie auf den Boden und hielt

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