Blinde Angst
zusammen betrieben, brachte ihnen einen Jahresgewinn von 60 Millionen Dollar, ohne die Kontrollen fürchten zu müssen, wie sie für den Drogenhandel inzwischen üblich waren. Den Polizeibehörden waren weltweit die Hände gebunden, weil die entsprechenden gesetzlichen Grundlagen fehlten. Und auch internationale Sanktionen waren nicht zu befürchten. Es waren immer nur geringfügige Delikte, die geahndet wurden; hin und wieder kam es zu einer Anklage wegen Kuppelei oder wegen Verstößen gegen Arbeitsgesetze. Währenddessen wurden große Gewinne gemacht und neue Geschäftsfelder in Osteuropa eröffnet.
Die engsten Verbündeten der Menschenhändler waren Krieg und Armut. Witwen und Töchter, die die Heimat verließen, um ihre Lage zu verbessern, waren leichte Beute, und Mendoza veranlasste Bedard, immer mehr Leute einzustellen, die sich auf die Jagd nach solchen Frauen machten.
In Städten, die vom Krieg verwüstet waren, gab es genügend Frauen, die sich und ihre Töchter bereitwillig verkauften, in der Hoffnung, sich nach einiger Zeit wieder freikaufen zu können. Manche kamen als vermeintliche Arbeitskräfte für Firmen, die nicht wirklich existierten, oder wurden mit der Aussicht angelockt, als Models, Schauspielerinnen oder Sängerinnen arbeiten zu können. Manche kamen auch, weil man ihnen eine Ehe mit einem Mann versprach, der natürlich gar nicht existierte, manche kamen unerwartet leicht zu einer Arbeits- oder Einreiseerlaubnis. Und einige wurden einfach irgendwo auf einer Straße entführt.
Bananen, Kaffee, Mahagoni und Kokain gingen in den Osten – Waffen, Atommüll und Frauen in den Westen. Bedard hatte sogar begonnen, Hilfslieferungen von Europa nach Haiti, dem ärmsten Land der westlichen Hemisphäre, zu übernehmen. Der Transport von Getreide, Saatgut, medizinischen Gütern und Maschinen gab ihm nun die Möglichkeit, verschiedene Häfen in Deutschland, Frankreich und Italien anzulaufen, wo seine Schiffe vorrangig behandelt wurden und kaum Kontrollen über sich ergehen lassen mussten.
Und überall lauerten seine Leute auf neue Opfer.
Gewiss machte Mendozas Anteil am Frauenhandel zu Beginn des 21. Jahrhunderts nur einen Bruchteil des Weltmarkts aus. Aber nachdem im Dezember 2004 ein Tsunami im Indischen Ozean Südostasien heimsuchte, löste Brasilien Thailand als internationales Zentrum des Sextourismus ab. Und die Geschäfte Mendozas wuchsen weiter.
Es war wirklich erstaunlich leicht verdientes Geld. Immer mehr Schiffe brachten immer mehr Frauen, die Bedard in Haiti gefügig machte, um sie dann an Mendozas Leute zu übergeben, die sie nach Brasilien brachten und dort teuer verkauften. Die Frauen, die von ihren Herren gnadenlos ausgebeutet wurden, hatten ihren Preis schon nach einem Jahr ausgeglichen und lieferten in den folgenden Jahren satte Profite. Dazu gehörte aber auch, dass diese Frauen nur eine gewisse Zeit diese Produktivität behielten. Nach vier oder fünf Jahren verloren sie ihren Reiz und damit auch an Wert, sie wurden an weniger anspruchsvolle Interessenten weiterverkauft, bis sie irgendwann auf der unteren Stufe der Leiter angelangt waren und in irgendeinem Bordell in einer Bergwerksstadt oder einer schäbigen Kneipe landeten, manche auch bei einer Drogenbande oder im Dschungelcamp einer Rebellengruppe.
Es war in den meisten Fällen ein stetiger Abstieg vom Glanz Rio de Janeiros bis zu irgendeiner abgelegenen Kleinstadt in Brasilien, Argentinien, Kolumbien oder Peru. Keine der Frauen hätte je gedacht, dass sie einmal so enden würde, dass sie die letzten Jahre ihres Lebens als Heroinsüchtige verbringen würde, die alles tat, um zu ihrem Schuss zu kommen. Keine hätte damit gerechnet, dass Heroin einmal ihr einziger Lebenszweck sein würde, ihr einziger Freund, bis zu dem Tag, an dem man sie als völlig nutzlos betrachtete und ihr auch noch das Letzte nahm, was sie am Leben erhielt.
Natürlich gab es für die Menschenhändler wie in jedem Geschäft auch Risiken. Es kam vor, dass eine ganze Ladung auf See verloren ging, weil die Laderäume nicht belüftet waren. Manchmal erlitt eine der Frauen einen Zusammenbruch und geriet völlig außer Rand und Band. In solchen Fällen war Bedard oft mit der Situation konfrontiert, dass es Leichen zu entsorgen gab, oder anders gesagt, dass menschliches Beweismaterial beseitigt werden musste.
Sorgen, dass Mitglieder einer Schiffsmannschaft gegen ihn aussagen könnten, machte Bedard sich nicht. Er war durch Dutzende von Strohfirmen vom
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