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Blinde Angst

Titel: Blinde Angst Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: George D Shuman
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Moment bitte.«
    Sherry drückte die Aufnahmetaste an ihrem Anrufbeantworter.
    Wenige Augenblicke später meldete sich der Gentleman aus Deutschland. »Danke, dass Sie zurückrufen, Miss Moore. Ich hoffe, es macht Ihnen keine Umstände.«
    »Nein, gar nicht«, sagte sie neugierig.
    »Mein Name ist Helmut Dantzler, Miss Moore. Wir haben gemeinsame Freunde, wie ich gehört habe.«
    Freunde, dachte Sherry. Graham und Brigham? Brigham hatte auch nie erwähnt, dass er jemanden von Interpol kannte.
    »Ich weiß, dass ein Mann namens Graham sich an Interpol gewandt hat, aber ich muss sagen, ich hätte nicht gedacht, von Ihnen zu hören«, sagte Sherry ohne jeden Vorwurf. »So schnell von Ihnen zu hören, meine ich.«
    »Also, ich muss sagen, ich bin selbst überrascht«, gab Dantzler zu. »Ihre Geschichte über die gefangenen Frauen war interessant, Miss Moore, aber leider nichts Außergewöhnliches. Ich wüsste gar nicht, wo ich anfangen soll, wenn ich die Ausmaße des Sexhandels beschreiben wollte. Solche Geschichten hören wir immer wieder, und sie sind schrecklich. Was unsere Aufmerksamkeit geweckt hat, war die Tätowierung, die Sie erwähnten und die eine der Frauen im Gesicht hatte. Wir haben eine ähnliche Geschichte von einem Informanten aus Drogenkreisen in Bulgarien gehört, das ist erst knapp über ein Jahr her. Da wurden vermutlich Frauen aus Osteuropa nach Südamerika verschleppt, und der Käufer tätowierte ihnen das Gesicht mit einem Totenkopf. Der Informant war tot, bevor wir Gelegenheit hatten, selbst mit ihm zu sprechen. Andere Details seiner Aussage ließen sich nicht bestätigen. Aber jetzt ist die Geschichte vor einer Woche wieder an die Oberfläche gekommen.«
    Dantzler hielt einen Moment lang inne. Sherry stellte sich sein nachdenkliches Gesicht auf der anderen Seite des Ozeans vor.
    »Ich habe gehört, dass Sie eine seriöse Frau sind, Miss Moore, und dass Sie mit unserer Arbeit vertraut sind. Graham hat mir gesagt, dass ich offen zu Ihnen sprechen kann. Dass ich mich darauf verlassen kann, dass Sie Geheimnisse für sich behalten.«
    Sherry hörte nur schweigend zu.
    »Ich habe vorhin gesagt, wir hätten gemeinsame Freunde – also Mehrzahl; ich habe auch gehört, dass Sie eine Madame Esme kennen.«
    »Madame Esme?«, fragte Sherry, dieses Mal wirklich überrascht. Die Welt war tatsächlich klein.
    »Ja, Miss Moore, und ich soll Ihnen von Madame Esme sagen, dass sie gern an unserem Gespräch teilgenommen hätte, aber sie ist durch eine dringende Sache verhindert. Leider dulden die aktuellen Ereignisse keinen Aufschub.«
    Sherry erinnerte sich an Esmes Stimme, und Erinnerungen an Afrika kamen in ihr hoch. Madame Esme war die Gründerin und Vorsitzende von World Freedom, einer regierungsunabhängigen Organisation, die für viele Millionen Menschen weltweit humanitäre Hilfe organisierte. Esme hatte Sherry im Jahr 2002 um ihre Hilfe gebeten, als Janja-weed-Milizen Vertreter einer UNO-Friedenstruppe angriffen, die Hilfslieferungen nach Darfur überwachte. Die Milizsoldaten raubten die Lebensmittel und entführten einen Vertreter von World Freedom, der gerade auf dem Kontinent angekommen war.
    Nach einer Woche hatte sich noch niemand zur Entführung bekannt. Niemand hatte ein Lösegeld verlangt, und in Darfur war es schwer zu sagen, welcher Anführer von welcher Gruppierung dafür verantwortlich sein könnte. Die Zeit arbeitete gegen die Geisel.
    Und so wurden die Leichen von Milizsoldaten, die bei dem Angriff in Darfur getötet worden waren, nach Kenia gebracht. World Freedom war als Hilfsorganisation neutral, doch Madame Esme selbst war alles andere als neutral. Sie war die Erbin eines Vermögens aus dem Diamantenbergbau in Südafrika und eine der reichsten Frauen der Welt. Sie hatte mächtige Freunde, und man sagte ihr nach, dass sie durchaus auch von ihren Kontakten Gebrauch machte, um hier und dort den Lauf der Dinge zu beeinflussen.
    Sherry wurde damals von einer Militäreinheit der Vereinten Nationen nach Kenia geflogen und mit einer Kapuze über dem Kopf in ein behelfsmäßiges Leichenhaus geführt, wo die Leichen der Milizionäre lagen. Anhand der letzten Gedanken eines toten Soldaten konnte sie den Anführer der Miliz beschreiben, der auf einem besonders auffälligen Pferd geritten war – einem weißen Araber, der eine Schnur mit verwesten menschlichen Ohren um den Hals hängen hatte. Mit dieser Information konnte die Regierung in Khartum den Stammesführer identifizieren und durch

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