Blinde Angst
verschleppt werden. Ein einäugiger Schwarzer prahlt angeblich damit, dass er die Gesichter der Frauen mit einem Totenkopf tätowiert. Sie wollten Ihre Leute von Interpol alle Schiffe überprüfen lassen, die damals im Hafen waren.«
»Ja?«, sagte Dantzler neugierig.
»Ich habe eine.«
»Eine was?«
»Eine von diesen tätowierten Frauen – sie ist tot. Sie hat einen Totenkopf mit Zylinder auf dem Gesicht.«
Dantzler schwieg einige Augenblicke, ehe er schließlich fragte: »Wo sind Sie?«
»In Kingston. Ich bringe sie an einen sicheren Ort.«
»Wie ist sie gestorben?«
»Sie wurde aus einem Flugzeug ins Meer geworfen.«
»Haben Sie es gesehen?«, fragte Dantzler ungläubig.
»Ja, ich war auf meinem Boot vor der Südspitze von Jamaika«, antwortete der Inspektor. »Die Tür im Flugzeug war offen, da fiel auf einmal die Frau heraus. Das Flugzeug ist einmal um die Stelle gekreist und dann nach Osten weitergeflogen.«
»Irgendwelche Kennzeichen am Flugzeug?«
»Nichts.«
»Wer weiß davon?«
»Ich wurde gesehen, als ich die Leiche in meinen Pick-up trug, deshalb musste ich das Justizministerium verständigen. Ich habe gesagt, sie sei ertrunken und ich würde sie ins Leichenhaus bringen.«
»Ist das ungewöhnlich?«
»Ich bin Chefermittler – sie werden es fürs Erste akzeptieren.«
»Nationalität?«
»Sie ist weiß und blond – mehr kann ich im Moment nicht sagen.«
»Wo genau ist der sichere Ort, von dem Sie gesprochen haben, Inspektor?«
»Das University of the West Indies Hospital in Kingston hat ein Leichenhaus. Ich kenne den Leiter. Er wird sie vor den Medien wegsperren. Aber das Ministerium wird bald mehr über meine Ertrunkene wissen wollen. Können Sie jemanden herschicken?«
»Sie wissen ja, Inspektor, wir haben keine eigenen Ermittler mit Polizeibefugnissen. Wir sammeln nur Informationen und geben sie weiter.«
»Ich weiß, aber was ist mit dem Informanten in Bulgarien? Jemand hat sich doch mit dem Fall beschäftigt.«
»Der Informant in Bulgarien wurde tot aufgefunden«, antwortete Dantzler. »Die Ermittlungen gingen nicht weiter.«
»Aber die Schiffe, die damals im Hafen waren – Sie wollten sie doch überprüfen.«
»Und wir haben keine Beweise gefunden.«
»Hier ist der Beweis!«, rief Roily King George wütend. »Sie brauchen mich nicht wie einen Zivilisten abzuwimmeln«, fügte er hinzu und schlug mit der Faust auf das Lenkrad.
Dantzler zögerte einen Augenblick, ehe er dem Inspektor genauere Informationen gab.
»Der bulgarische Informant wurde einen Monat nach unserer Konferenz in Alberta ermordet. Man glaubt, dass ihn die Russenmafia verpfiffen hat. Wir haben uns die Unterlagen über die Schiffe angesehen, die damals im Hafen von Burgas lagen, und nur ein Frachter fuhr nach Westen über die afrikanische Küste hinaus. Es war ein liberianisches Frachtschiff mit dem Zielhafen Port-au-Prince in Haiti. Als wir es fanden und Polizisten an Bord schicken konnten, war es schon zweimal weiterverkauft worden und lag im Trockendock in Singapur, wo es überholt wurde, um Kohle zu befördern.«
»Es gibt also keine Beweise.«
»Sie haben das ganze Schiff umgekrempelt. Wenn es irgendwelche Hinweise auf Schmuggel gegeben haben sollte, waren sie längst weg, als wir hinkamen.«
»Was sagt der Schiffseigner?«
»Die neuen Eigentümer sind Anwälte. Keiner hat je einen Fuß auf das Schiff gesetzt. Auf der Frachtliste standen humanitäre Hilfsgüter und Traktormotoren.«
»Die Besatzung?«
»Die Unterlagen gingen verloren, als das Schiff den Besitzer wechselte, so sagte man uns jedenfalls. Es gibt keine Unterlagen über die Besatzung.«
»Was ist mit Satellitenbildern?«
»Damals war alles auf den Iran gerichtet. Das war im Jahr 2007, wenn Sie sich erinnern.«
»Was sagen sie in Haiti dazu?«
»Die Hafenbehörde hat keine Aufzeichnungen über das Schiff und auch nichts über eine Besatzung, die an Land ging.«
»Die sind gekauft«, versetzte George und wich einem Polizeiwagen aus, der sich zwischen seinen Pick-up und das Taxi gezwängt hatte. Der Verkehr begann sich wieder in Bewegung zu setzen. »Sie sind bestochen.«
»So ist die Welt, Inspektor George, aber das brauche ich Ihnen ja nicht zu erzählen.«
»Was soll ich jetzt mit dem toten Mädchen machen?«, fragte George und sah in den Rückspiegel. »Ich habe nicht die Möglichkeiten, um in internationalen Gewässern zu ermitteln.«
Dantzler überlegte einen Augenblick, ehe er antwortete: »Wir haben nie daran gezweifelt,
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