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Blinde Flecken: Schwarz ermittelt

Blinde Flecken: Schwarz ermittelt

Titel: Blinde Flecken: Schwarz ermittelt Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Peter Probst
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Zeit.
    »Du tust mir weh, Tim«, sagte Linda.
    Er drückte ihr Gesicht auf die Tischplatte, damit sie still war. Sie waren in einer Zelle, die unter den Knackis Rammelkäfig hieß. Offiziell gab es so was natürlich nicht, aber der Anstaltsleiter hatte seine eigenen Regeln.
    Alles hat seine Zeit, wiederholte Burger in Gedanken, alles hat seine Zeit.
    Dem Wärter war bei Lindas Anblick das Wasser im Mund zusammengelaufen. Er hatte ihm dreist zugezwinkert und eine Packung Kleenex in die Hand gedrückt. Das Schwein.
    Er vögelte sie hart. Er wollte, dass sie vor ihm kam. Das verlangte die Hierarchie. Endlich hatte er begriffen, wie man sich Respekt verschafft. Das war die Lehre der letzten Jahre. Er hatte Verzweiflung durch eisige Kälte ersetzt, Wut durch Härte. Klar tu ich ihr weh, dachte er. Das weiß ich, aber ich spüre es nicht.
    In den ersten Wochen im Knast war er für alle das arme Würstchen gewesen, das ausgetickt war, weil ein anderer auf seinem Mädel gelegen hatte. Er war wie immer das Opfer gewesen, und vor Opfern hatten weder Häftlinge noch Wärter Respekt. Dann hatte Marco, der Kamerad, mit dem er die Zelle teilte, sich wichtigmachen wollen. Hatte ausgeplaudert, dass er den Wagen mit vollem Bewusstsein in die Judenclique gesteuert hatte.
    Plötzlich war er eine ganz andere Nummer im Knast. Dazu kam sein Training, die Abhärtung, der Kampf gegen den Schmerz. Es war ihm nie um seinen Körper gegangen. Weil sein Körper nur das Werkzeug war.
    Er hörte Linda stöhnen. Ihr Atem überschlug sich, ihr Hintern zuckte rhythmisch. Er zog seinen Schwanz ein Stück zurück.
    »Nicht aufhören.«
    Er reagierte nicht.
    »Tim, mach weiter!«
    »Bereust du, was du getan hast?«
    »Ja, das weißt du doch.«
    »Sag bitte!«
    »Bitte!«
    Er hätte laut lachen können, so dämlich fand er dieses Spiel. Mit wenigen harten Stößen trieb er sie zum Höhepunkt. Dann glitt er aus ihr heraus und säuberte seinen Schwanz. Sie fragte vorsichtig, ob er auch gekommen sei.
    »Keine Lust.«
    Sie wollte ihn küssen. Er wandte sich ab.
    »Jetzt erzählst du mir, was dieser Detektiv dich gefragt hat.«

16.
    Seine Mutter war so klein und schlank, dass Schwarz sie wie ein Kind hätte hochheben können – was ihm selbstverständlich der Respekt verbot. Die geblümten Kittelschürzen, die Hildegard trug, waren seit vierzig Jahren aus der Mode, sahen aber immer wie neu gekauft aus. Wahrscheinlich war damals, bei der Auflösung ihres Ladens, ein ganzer Posten übrig geblieben. Schwarz konnte sich nicht daran erinnern, dass seine Mutter jemals beim Arzt gewesen war, außer beim Zahnarzt. Sie trug seit fünfzehn Jahren dieselbe Frisur, eine mittellange, violett schimmernde Dauerwelle.
    »Trink«, sagte sie und stellte ihm das dritte Gläschen hausgemachten Eierlikörs hin. Ihre Mixtur war teuflisch. Als er sie einmal im Scherz gefragt hatte, ob sie für den Likör Wundalkohol verwende, war sie ihm die Antwort schuldig geblieben.
    »Du machst mich betrunken, Mama.«
    »Bist du nicht mit der S-Bahn da?«
    »Schon.«
    Tatsächlich nahm Schwarz grundsätzlich öffentliche Verkehrsmittel nach Waldram, wodurch die Besuche bei seiner Mutter zu einer Art Wallfahrt wurden. Er redete sich ein, dies wäre Absicht, damit sie länger lebe. In Wirklichkeit ließ er den Wagen nur stehen, weil er schon mal nach einer ihrer Likörorgien in eine Alkoholkontrolle geraten war. Er hatte es zwar geschafft, sich als ehemaliger Kollege rauszureden, aber ein zweites Mal wollte er das Risiko nicht eingehen.
    Das Wohnzimmer, in dem Schwarz und seine Mutter inzwischen am vierten Gläschen nippten, befand sich im ehemaligen Dorfladen von Waldram. An dem alten Verkaufsregal klebten noch handgeschriebene Preisschilder, und das große Schaufenster gab einem das Gefühl, auf dem Präsentierteller zu sitzen. Hildegard Schwarz weigerte sich beharrlich, einen Teil der Auslage zumauern zu lassen oder wenigstens blickdichte Vorhänge anzubringen. »Die hatte ich nie. Wenn ich jetzt welche aufhänge, denken die Leute, ich hätte plötzlich was zu verbergen.«
    Wenn sie trank, dauerte es meistens nicht lange, bis sie sich auf eine Zeitreise begab. Statt Waldram sagte sie dann
Föhrenwald
oder gleich
Lager Föhrenwald
, denn die Siedlung war aus Unterkünften für die Zwangsarbeiter einer großen Munitionsfabrik der Nazis hervorgegangen. Nach dem Krieg waren hier die Heimatvertriebenen untergekommen.
    »Ich war eine Frau der ersten Stunde«, sagte Hildegard mit bereits schwerer

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