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Blinde Flecken: Schwarz ermittelt

Blinde Flecken: Schwarz ermittelt

Titel: Blinde Flecken: Schwarz ermittelt Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Peter Probst
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unterzogen hat. Zu Anfang war er in einem desolaten Zustand. Er hatte weder ein Bewusstsein für die Dimension seines Verbrechens noch für dessen Grund. Stattdessen verdrängte er es mit aller Macht und hatte fast alle Einzelheiten vergessen. Als ich ihn fragte, wie viele junge Menschen von seiner Amokfahrt betroffen gewesen waren, wusste er nicht einmal mehr das.
    Es war ein mühsamer, auch von Rückschlägen gekennzeichneter therapeutischer Prozess. Aber Tim Burger wollte an sich arbeiten, und er hat durchgehalten. Heute ist er in der Lage, Verantwortung für sein Handeln zu übernehmen, für das, was er getan hat und künftig tun wird. Er hat realistische Ziele und die gereifte Beziehung mit Linda Heintl gibt ihm zusätzlich Halt. Aus all diesen Gründen habe ich seine vorzeitige Entlassung befürwortet.«
    »Warum erzählen Sie mir das, Herr von Medingen?«
    Er zeigte ein strahlendes und leicht künstliches Lächeln. »Ich habe gehört, dass ein gewisser Anwalt empört über die Entscheidung der Strafvollstreckungskammer ist. Sie arbeiten doch für Herrn Loewi?«
    Schwarz hatte Mühe, seine Verblüffung zu verbergen. Woher wusste von Medingen das? Außer Heiner und Monika, für die er die Hand ins Feuer legen würde, kannte kein Mensch den Namen seines Auftraggebers.
    Er überging die Frage und erkundigte sich stattdessen bei dem Gefängnispsychologen, ob er keine Angst habe, dass Tim Burger mit der Freiheit nicht zurechtkommen und noch einmal durchdrehen könnte.
    »Ein Restrisiko besteht natürlich immer. Aber das wird nicht kleiner, wenn ein junger Mann wie Tim bis zum letzten Tag eingesperrt bleibt. Ich finde, er hat seine Chance verdient.«
    Der Einbruch, schoss es Schwarz durch den Kopf. Auf meinem Schreibtisch lag die Materialsammlung zu Tim Burger mit Loewis Visitenkarte. War es denkbar, dass von Medingen auf diesem Wege an die Information gelangt war? Hatte er Kontakt zu Bernhard Hörwig? Und wenn ja, ahnte er, dass er es mit einem V-Mann zu tun hatte, oder hielt er Hörwig für einen überzeugten Kameraden?
    »Sind Ihre Fragen damit geklärt?«, sagte von Medingen.
    Schwarz schüttelte den Kopf. »Mich würde noch interessieren, wie Sie Tim Burgers politische Gesinnung einschätzen.«
    Von Medingen zögerte.
    Schwarz wurde konkreter. »Es gab damals den Verdacht, seine Amokfahrt könne sich bewusst gegen jüdische Jugendliche gerichtet haben.«
    »Das ist eine Fixierung von Herrn Loewi. Dafür wurden nicht die geringsten Anhaltspunkte gefunden.«
    »Tim Burger hat Ihnen gegenüber also nie antisemitische oder rassistische Bemerkungen gemacht?«
    Von Medingen schüttelte den Kopf. »Nein, nie.« Er trotzte Schwarz’ forschendem Blick und zog spöttisch den Mundwinkel nach oben. »Und, Herr Schwarz, falls am heutigen Abend doch der eine oder andere inspirierende Gedanke für Sie dabei war, würde ich Sie gerne wieder hier begrüßen.« Er reichte ihm eine Einladung. »Vielleicht schon morgen?«
    Schwarz nickte unverbindlich und steckte die Karte achtlos ein.

48.
    »Ich muss dringend mit dir reden, Heiner.«
    »Heute noch?«
    »Ja.«
    »Wir sind schon im Bett.«
    »Um halb elf?«
    »Mein Gott, so was kommt in den besten Familien vor, Toni.«
    »Dann beeil dich«, sagte Schwarz. »In fünfzehn Minuten in deinem Archiv?«
    »In dreißig.«
    »Zwanzig.«
    Fünfundzwanzig Minuten später kletterte Schwarz hinter Heiner die Feuerleiter hoch. Im Archiv gab er ihm erst einmal das Aufnahmegerät zurück. »Ich denke nicht, dass was Interessantes dabei ist. Der Vortrag war lächerlich, Alexander Fritz hat mehr gehustet als geredet, und dass dort das eine oder andere fragwürdige Lied gesungen wird, dürfte bekannt sein.«
    »Was willst du dann so dringend von mir?«
    Schwarz reichte ihm wortlos die Einladungskarte, die von Medingen ihm gegeben hatte.
    »Pressekonferenz anlässlich der Parteigründung
Die Rechten
?« Er schüttelte irritiert den Kopf und schaltete seinen PC ein. Der Bildschirm hellte sich auf. Heiner gab routiniert Befehle ein, trommelte ungeduldig mit den Fingern auf die Tischplatte und tippte hektisch weiter. »Da haben wir sie: www.die-rechten-muenchen.«
    Schwarz stützte sich auf Heiners Schultern. Auf der Website lief eine Diashow mit kiffenden Kindern, saufenden Obdachlosen, jungen Ausländern, die in einem U-Bahnhof einen alten Mann zusammenschlugen, und Huren auf der Landsberger Straße.
    In Fraktur stand zu lesen:
Wie lange noch?
    Es folgten Fotos idyllischer bayerischer Landschaften

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