Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Blinde Flecken: Schwarz ermittelt

Blinde Flecken: Schwarz ermittelt

Titel: Blinde Flecken: Schwarz ermittelt Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Peter Probst
Vom Netzwerk:
Veranstaltungsprogramm der Burschenschaft
Manzonia
, das Heiner ihm mitgegeben hatte, und fuhr los.
    In der
Laimer Röhre
, wie Münchens klaustrophobischer Tunnel hieß, spürte er plötzlich ein leichtes Kribbeln in der rechten Hosentasche. Das Aufnahmegerät hatte sich eingeschaltet. Er drückte die Off-Taste und bog nach der Unterführung in das Viertel westlich des Hirschgartens ein. Mein Gott, dachte er, da war ich lange nicht mehr. Der Hirschgarten war der Lieblingsbiergarten seiner Mutter, den sie möglichst bei jedem Aufenthalt in München besuchte. Und unverdrossen brachte sie immer eine Tüte altes Brot mit, obwohl die Hirsche und Rehe im Gehege am Rand des Biergartens so verwöhnt waren, dass sie nicht einmal daran schnupperten.
    Schwarz nahm den Fuß vom Gas und wählte eine Handynummer.
    »Heiner, wie schaut’s bei dir aus?«
    »Am Westkreuz nichts Neues. Linda kommt, Linda geht. Sobald sie einen Friseurtermin hat, um sich für ihren Tim schön zu machen, lasse ich es dich wissen.«
    »Kannst du mir noch ein paar Worte zur
Manzonia
sagen?«
    »Aber gern. Sie besteht seit 1848.   Ihren Namen verdankt sie der Herkunft ihres Gründers, ein freiheitlich gesinnter Student aus einem kleinen Dorf bei München. Dreimal darfst du raten.«
    »Keine Ahnung.«
    »Überleg mal: Manzonia.«
    »Doch nicht Menzing?«
    »Doch. In der Nazizeit wurde die
Manzonia
wie alle Burschenschaften verboten. 1946 wiedergegründet, fanden dort hohe Funktionäre des
Nationalsozialistischen Deutschen Studentenbundes
Unterschlupf und brachten die
Manzonia
unter dem Deckmantel einer demokratisch gesinnten Verbindung rasch auf strammen Rechtskurs. So ist es bis heute geblieben.«
    »Wie viele Mitglieder hat der Club?«
    »Die rücken natürlich keine Zahlen raus. Aber ich schätze, dass sie höchstens zwanzig Aktive, also studierende Mitglieder, und etwa zweihundert sogenannte Alte Herren haben.«
    »Was sagt der Verfassungsschutz?«
    »Nichts. Aber du wirst heute Abend bestimmt nicht der Einzige sein, der den Vortrag mitschneidet.«
    »Alles klar, Heiner. Danke.«
    Schwarz parkte einige Hundert Meter vor der Adresse der Burschenschaft, spazierte unter dem hellgrünen Blätterdach einer Lindenallee entlang und blieb gegenüber der repräsentativen Villa aus dem 19.   Jahrhundert stehen. Er sah Taxis vorfahren, denen ältere Paare entstiegen, die wie zum Abonnementkonzert der
Münchner Philharmoniker
gekleidet waren. Er sah Studenten mit seltsamen Kopfbedeckungen in Gruppen herbeieilen und junge Frauen mit Duttfrisuren.
    Es kostete Schwarz eine gewisse Überwindung, sich dieser Gesellschaft anzuschließen. Am Portal der Villa wurde er von einem bulligen jungen Mann im schwarzen Anzug aufgehalten. Schwarz registrierte den Knopf in seinem Ohr.
    »Wohin wollen Sie?«
    Schwarz zog das Programm heraus.
    »Zu den Grenzen des Deutschen Reichs.«
    Der Türsteher verzog keine Miene.
    »Sind Sie zum ersten Mal hier?«
    Schwarz nickte. Links und rechts von ihm traten die Leute ungehindert ein. Er blickte unauffällig nach oben, wo ihn eine Überwachungskamera im Visier hatte. »Ich dachte, es handelt sich um eine öffentliche Veranstaltung?«
    Endlich bekam der junge Mann eine Anweisung. »Öffentlich, selbstverständlich. Der Saal befindet sich im ersten Stock.«
    »Sehr freundlich«, sagte Schwarz.

46.
    Er stieg ein ausladendes Treppenhaus empor, das mit großen Fotos geschmückt war. Sie stammten aus verschiedenen Jahrzehnten, aber das Sujet war immer dasselbe: junge Männer in Reih und Glied. Sie trugen Mützen, bunte, von der rechten Schulter zur linken Hüfte laufende Schärpen und weiße Handschuhe. Über ihnen wehte eine große, dreifarbige Fahne.
    Der Saal war so locker bestuhlt, dass knapp fünfzig Personen reichten, um den Eindruck einer gut besuchten Veranstaltung zu erwecken. Schwarz sah, dass es eine Lautsprecheranlage gab, er konnte für seinen heimlichen Mitschnitt also getrost im hinteren Bereich bleiben. In der Mitte der letzten Reihe saß ein alter Mann im grauen Trachtenanzug: Alexander Fritz.
    Schwarz sagte sich, dass heute nicht der Abend für Empfindlichkeiten war, und nahm neben ihm Platz.
    »Setzen Sie sich woandershin«, knurrte Fritz, »ich binAsthmatiker. Wenn ich einen Anfall kriege, muss ich hier schnell raus.«
    »Ich halte Ihnen die rechte Flanke frei«, sagte Schwarz. Der militärische Jargon zeigte die gewünschte Wirkung.
    Fritz musterte ihn plötzlich interessiert durch seine getönte Brille. »Darf man

Weitere Kostenlose Bücher