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Blinde Flecken: Schwarz ermittelt

Blinde Flecken: Schwarz ermittelt

Titel: Blinde Flecken: Schwarz ermittelt Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Peter Probst
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vierziger Jahre zurück, als hier Baracken für russische Zwangsarbeiter standen. Angeblich war es in dieser Zeit auch zu Exekutionen gekommen. Die Kommandozentrale des kleinen Lagers hatte sich in einem halb in den Boden versenkten, nie ganz fertig gestellten Bau aus Betonplatten befunden. Heute war sie fast völlig von Efeu bedeckt.
    Marco Kessler lag auf dem nackten Erdboden. Seine Arme und Beine waren gefesselt. Als er leise Schritte hörte, die sich im hohen Gras näherten, fing er zu zittern an.
    »Wo ist der Häftling Kessler?«
    »Tim!« Marco richtete sich auf. »Bist du allein?«
    Burger warf seine Tasche auf den Boden. »Hier stinkt’s. Hast du dich angeschissen, du Sau?«
    »Tut mir leid.«
    Burger machte ein angewidertes Gesicht und schob seine Tasche mit dem Fuß ein Stück von Marco weg. Dann ging er wortlos nach draußen. Marco hörte ihn pinkeln und hinterher zufrieden brummen.
    »Tim?«
    Keine Antwort.
    »Tim, mach mich los! Was soll denn das alles?«
    Burger gab keine Antwort. Marco hörte ihn jetzt auf der Rückseite des Bunkers, hörte, wie er über morsches Holz und Glasscherben ging. Einen Moment lang war es still, dann gab es einen dumpfen Schlag und Steine spritzten.
    Was machte Tim da? Trat er mit der Stiefelkappe gegen Geröll? Ja. Immer wieder. Hatten die anderen etwas für ihn dagelassen, was er ausgrub? Jetzt traf der Stiefel offenbar auf Metall. Ja, der Klang war metallisch.
    Burger kam gebückt durch den niedrigen Zugang in den Bunker zurück.
    »Schau mal, was ich gefunden habe, Marco.«
    Er hielt eine über einen Meter lange Stange hoch. An ihrem Griff war eine Kugel, am anderen Ende eine Art Kegel, der spitz zulief.
    »Weißt du, was das ist?«
    Marco schüttelte den Kopf.
    »Ein Pflockeisen.«
    »Nie gesehen.«
    Tim fuhr zärtlich über die Spitze. »Es ist stahlgeschmiedet. Weißt du, wofür man es verwendet?«
    »Nein.«
    »Damit setzt man Zaunpfosten. Das Ding ist sauschwer. Schau!« Er rammte die Stange etwa fünfzehn Zentimeter tief in die Erde, war aber nicht zufrieden. »Noch mal!«
    Er holte mit beiden Armen aus, sein Gesicht verzerrte sich bei einem Schrei, der Marco das Blut in den Adern gefrieren ließ.
    Diesmal versenkte Tim die Stange um ein ganzes Stück tiefer. »Wenn du das Eisen jetzt hin- und herbewegst, entsteht ein wunderbares breites Loch.«
    Marco starrte ihn an. Tims Blick machte ihm Angst. Das war nicht mehr der Kamerad, mit dem er die Zelle geteilt hatte. Panik erfasste Marco und ließ ihn am ganzen Leib zittern.
    »Und jetzt stell dir vor, es steckt nicht im Boden, sondern in deinem Kopf, Marco.« Tim sprach ganz leise und verzog keine Miene.
    Er weitete das Loch mit kreisenden Bewegungen.
    »Schau mal. Wie sich das wohl anfühlt? Im Gehirn?«
    »Tim, hör bitte auf!«
    »Stimmt, das ist gemein. Ich darf dir keine Angst machen, du bist ja mein Kamerad. Das hast du geschworen.«
    »Ja, hab ich.«
    »Wenn du nur nicht so stinken würdest.«
    Er lehnte die Stange an die Wand und betrachtete Marco.
    »Bitte, lass mich gehen, Tim.«
    »Du weißt, was ich will.«
    »Nein.«
    »Du weißt es genau!«, schrie Burger. »Sag es!«
    »Okay.«
    »Laut und deutlich. Deutsch!«
    »Ja, ich weiß es.«
    »Was?«
    »Den Zünder.«
    »Na also. Was sollen wir schließlich mit der Handgranate, wenn wir keinen Zünder haben. Warum hast du ihn den anderen denn noch nicht gegeben?«
    »Ich   …«
    »Ja?«
    »Ich wollte auf dich warten.«
    »Du wolltest auf mich warten?«
    »Du willst doch auch nicht, dass unschuldige Menschen sterben?«
    Tim griff nach dem Pflockeisen und trat einen Schritt auf Marco zu.
    »Sag mir, wo du das Teil versteckt hast.«
    Marco schlotterte. Er starrte auf das Eisen und schüttelte verzweifelt den Kopf. Tim kam näher.
    »Wo ist der Zünder?«
    Marco sah die Metallspitze über sich schweben.
    »Wo?«, schrie Tim.
    »Landshuter Allee«, brach es aus Marco heraus.
    »In der Wohnung, in der dich der Jude versteckt hat?«
    »Nebenan, im Speicher. Hinten, in der linken Ecke, ist ein loses Brett.«
    »Na, also«, sagte Tim und lächelte. Er sah, wie Marco erleichtert die Augen schloss.
    Als er sie wieder öffnete, stieß Tim zu.
    Das Eisen drang tief in die rechte Augenhöhle ein.
    Es fühlte sich weicher an als zuvor der Boden.
    »Verräter.«

59.
    Auf der Heimfahrt nach München beachtete Heiner aus Rücksicht auf Schwarz’ leicht angegriffene Nerven sämtliche Geschwindigkeitsbeschränkungen und verzichtete auf waghalsige Überholmanöver. Außerdem

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