Blinde Flecken: Schwarz ermittelt
Schwarz?«
»Ich dachte, Sie lesen es sowieso in der Zeitung.«
»Hm. Was halten Sie davon?«
»Nichts.«
»Ich meine, was hat von Medingen vor?«
»Ich hatte keine Gelegenheit, ihn zu fragen.«
»Diese Partei ist doch absolut chancenlos.«
»Ich bin Privatermittler, kein Parteienforscher.«
»Was sind Sie denn schon wieder so grantig, Herr Schwarz?«
»Wenn es Grund zu jubeln gibt, sagen Sie es mir.« Schwarz hörte Loewi seufzen. »Und jetzt rufen Sie bitte Hauptkommissar Kolbinger an, um mit ihm das Sicherheitskonzept für Ihre Familie zu besprechen.«
»Was?«
»Ich meine es ernst.«
Schwarz legte auf und erhob sich ächzend. Das Telefon klingelte erneut.
»Was ist denn noch, Herr Loewi?«
Aber es war Heiner. »Ich möchte dich zu einer Landpartie einladen, Toni.«
»Ich steh nicht sehr auf Natur, wie du weißt.«
»Linda Heintl ist auf dem Weg zu Tim Burger.«
Schwarz war sofort wie elektrisiert. »Was tun wir?«
»Habe ich doch gerade gesagt.«
»Okay, in fünfzehn Minuten vor dem Haus.«
»In zehn.«
Schwarz verzichtete auf seinen Kaffee und glättete anstatt einer Haarwäsche seine Wirbel mit dem nassen Kamm. Er putzte die Zähne in doppelter Geschwindigkeit und stand bereits nach acht Minuten auf der Straße.
Heiner näherte sich im Wagen seiner Frau. Schwarz brach der kalte Schweiß aus: Es war ein Porsche. Er stieg ein, obwohl ihm vor Jahren ein Polizeipsychologe eine Phobie vorzu hohen Geschwindigkeiten attestiert hatte, und hoffte auf Heiners Besonnenheit.
Nach fünf Minuten warf Heiner einen Blick auf Schwarz’ käsiges Gesicht. »Die Kotztüten sind im Handschuhfach.«
»Ich glaube nicht, dass ich das lang aushalte.«
»Wie sollen wir sie sonst einholen?«
Schwarz seufzte und ertrug schweigend, dass Heiner die Kurven schnitt, beim Überholen ganz knapp vor entgegenkommenden Fahrzeugen wieder einscherte und aufs Gas drückte, als wollte er herausfinden, bei welcher Geschwindigkeit ein Porsche zum Flugzeug wird. Heiner lachte. »Du musst nicht bremsen, Toni.«
»Mit was für einem Wagen ist denn Linda Heintl unterwegs?«
»Mit einem dunkelblauen Audi.«
»Ah, Hörwigs Wagen. Ist so ein Audi ein sehr schnelles Fahrzeug?«
Heiner hob die Schultern. »Schnell ist relativ.«
»Ich meine, müssen wir so rasen? Vielleicht hat sie einen anderen Weg genommen.«
»Dann warten wir vor dem Gefängnis auf sie.«
Schwarz seufzte resigniert.
56.
Am liebsten würde er auf die ausgestreckte Hand des Anstaltsleiters spucken, aber von Medingen hatte ihm eingeschärft, sich bis zum letzten Augenblick eisern zu kontrollieren.
»Viel Glück auf Ihrem weiteren Lebensweg«, sagte Bause und wollte seine Hand gar nicht mehr loslassen.
Verrecken sollst du, Arschloch, dachte Tim Burger und lächelte freundlich.
»Ich sage jetzt nicht auf Wiedersehen, einverstanden?«
Eher sterbe ich, dachte er, bevor ich mich noch mal einsperren lasse.
Dann ging er mit dem Wärter durch den langen Flur mit den unzähligen Türen. Noch eine und noch eine und noch eine. Da war der Ausgang. Er spürte, wie seine Brust sich bis zum Zerreißen blähte. Er hätte schreien können.
Aber nicht vor Glück.
Oder ist ein Löwe im Moment des Absprungs glücklich? Was spürt er, wenn er mit ausgefahrenen Krallen auf seine Beute zufliegt? Riecht er das Blut schon, das fließen wird?
Glück?
Glück war ein Wort aus dem Fernsehen. Aus dem Vormittagsprogramm für alte Weiber. Er war nicht glücklich. Er war klar im Kopf. Er hatte einen Plan.
Vor dem Gefängnis stellte er seine Tasche ab, schloss die Augen und ballte beide Fäuste. Dann ging er, ohne sich noch einmal umzublicken, auf dem Kiesweg über den kleinen Hügel.
57.
Heiner fuhr seit zehn Minuten in etwa zweihundert Metern Abstand hinter dem dunkelblauen Audi her. »Die lässt sich aber Zeit.«
»Ist doch okay«, sagte Schwarz. »Sie will halt heil und gesund bei ihrem Tim ankommen.« Er war jetzt nicht mehr ganz so blass und sah sich sogar in der Lage, in der Klinik anzurufen, um sich nach seiner Mutter zu erkundigen. Die junge Ärztin wurde ans Telefon gerufen.
»Es geht ihr schon besser.«
Schwarz glaubte zu hören, dass sie ihm nur Mut machen wollte. »Sie können mir ruhig die Wahrheit sagen.«
»Es ist die Wahrheit.«
Meine Mutter und die Wahrheit, dachte Schwarz.
»Wir wundern uns nur, dass sie gar nicht zu sprechen versucht, auch nicht einzelne Wörter. Nach unseren Untersuchungen müsste sie eigentlich dazu in der Lage sein.«
Schwarz legte auf
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