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Blinde Goettin

Blinde Goettin

Titel: Blinde Goettin Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Anne Holt
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legen. Als er sich umdrehte, um nach draußen zu laufen, knallte es. Der Lärm war ohrenbetäubend, es hörte sich an wie eine Explosion. Die Panoramafenster hatten sich alle Mühe gegeben, der Hitze zu widerstehen, aber nun mußten sie sich geschlagen geben. Der gewaltige Luftzug steigerte den Lärm der Flammen ins Unerträgliche, und Håkon sah keinerlei Möglichkeit, ins Freie zu gelangen. Jedenfalls nicht auf diesem Weg. Er drehte sich um, langsam, wie ein Hubschrauber mit Karen als mißratenem toten Drehflügel. Hitze und Rauch erschwerten das Sehen. Die Treppe brannte.
    Aber vielleicht nicht so schlimm? Er hatte keine Wahl. Er holte tief Luft, was ihm aber nur einen heftigen Husten einbrachte. Jetzt hatten die Flammen seine Hose erfaßt. Mit einem Schmerzensschrei sprang er die Treppe hinunter und hörte, wie Karens Kopf bei jedem Sprung gegen die Wand schlug. Der Brand hatte netterweise die Kellertür geöffnet. Håkon erreichte sie mit letzter Kraft, und die frische Luft gab ihm die zusätzliche Energie, die es ihm ermöglichte, sieben, acht Meter weit von der Hütte wegzulaufen. Karen fiel zu Boden, und er konnte gerade noch feststellen, daß sein Hosenbein brannte, ehe auch er das Bewußtsein verlor.
     
    Das hier ging wirklich schief. Lavik konnte zum Beispiel schon vorbeigefahren sein, bevor er hier Posten bezogen hatte. Das war allerdings nicht sehr wahrscheinlich; ein Mord ließ sich nun mal nachts leichter ausführen. Außerdem konnte er nach Einbruch der Dunkelheit seine Bewacher leichter abschütteln.
    Aber es war langweilig, hier zu sitzen. Er riskierte einen kleinen Ausflug aus dem Auto, nach den verrückten Motorradfahrern war niemand mehr vorbeigekommen. Es war eiskalt, aber trocken. Der Reif knirschte unter seinen Füßen, und er reckte die Arme über den Kopf. Ungefähr dort, wo er Sandefjord vermutete, reflektierte die niedrige Wolkendecke einen schwachen Rosaschimmer. Er wandte sich in Richtung Lavik und sah dort dasselbe. Über Ula dagegen war der Schimmer orange und viel heller. Außerdem glaubte er Rauchschwaden zu sehen. Er betrachtete das Licht aus zusammengekniffenen Augen. Feuer! Ja, verdammt. Lavik mußte vor ihm gekommen sein. Oder war er vielleicht nicht mit dem Volvo gefahren? Vielleicht hatte er das Auto gewechselt, um die Polizei in die Irre zu führen. Er versuchte sich zu erinnern, was für Autos vorübergekommen waren. Zwei Opel. Und ein Renault. Vielleicht auch ein Peugeot. Egal. Dieser Brand konnte kein Zufall sein. Was für eine Art, jemanden umzubringen. Der Mann mußte verrückt sein!
    Wahrscheinlich kam er zu spät. Es würde schwierig sein, Lavik jetzt zu erledigen. Der Brand war so auffällig, daß ihn garantiert jemand entdeckte und die Feuerwehr alarmierte. In einigen Minuten würde es hier von roten Autos und Feuerwehrleuten nur so wimmeln.
    Aber er konnte sich nicht beherrschen. Er ließ den Motor an und fuhr langsam auf das große Feuer zu.
     
    »Der Krankenwagen ist wichtig. Der ist das wichtigste!«
    Sie reichte das Mobiltelefon an Peter Strup weiter, der es in die Tasche steckte. »Mit Karen Borg sieht es am schlimmsten aus«, stellte er fest. »Aber die Brandwunde, die euer Adjutant da hat, ist auch nicht gerade schön. Außerdem war es für beide nicht gesund, so viel Rauch einzuatmen.«
    Zusammen hatten sie die beiden bewußtlosen Menschen auf den Parkplatz tragen können, wo Karen Borgs Auto stand. Hanne hatte ohne Zögern mit einem großen Stein das Seitenfenster eingeschlagen und eine Wolldecke und zwei kleine Kissen aus dem Wagen geholt. Außerdem war das Auto mit einer Plane abgedeckt gewesen, auf die sie die Verletzten gelegt hatten. Vorher hatte sie eine Ecke von der Plane abgerissen und damit eiskaltes Wasser aus einem Bach unterhalb des Parkplatzes geschöpft. Das Wasser hielt sich nicht lange in dem Stück Plastik, aber zumindest für kurze Zeit konnte es Håkons verunstaltetes Bein kühlen. Das Feuer wärmte selbst noch den kleinen Platz, und Hanne fror nicht mehr. Sie hoffte, daß es auch den beiden auf dem Boden nicht allzu schlecht ging. Die Wunde über Karens Auge sah nicht schlimmer aus als die, die ihr selbst vor einigen langen Wochen zugefügt worden war. Hoffentlich ließ das auch auf die Heftigkeit des Schlages schließen. Ihr Puls ging gleichmäßig, aber ziemlich schnell. In einem kleinen Erste-Hilfe-Kasten im Auto hatte sie Brandsalbe gefunden und die argen Wunden damit eingeschmiert, ehe sie sie in feuchte Plane gehüllt hatte.

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