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Blinde Goettin

Blinde Goettin

Titel: Blinde Goettin Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Anne Holt
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was immer das heißen soll. Knastverrückt, nehme ich an. Jetzt liegt er in der Psychiatrie. Wir haben jedenfalls keinen Grund zu der Annahme, daß ihn das redseliger werden läßt. Im Moment liegt er in Embryostellung da und lallt. Hat eine Sterbensangst vor allem und jedem.«
    »Eigentlich seltsam«, sagte Hanne und setzte sich auf eine Bank. Sie klopfte auf den Platz neben sich, und er gehorchte.
    »Ich meine, wir wissen ja, wie die U-Haft ist. Nicht gerade eine Sommerfrische. Aber es gibt doch eine Menge Leute, die zu lange da bleiben müssen. Und ist vielleicht deshalb schon jemals irgendwer verrückt geworden?«
    »Nein, aber er hat sicher bessere Gründe, Angst zu haben, als die meisten anderen Ausländer, fühlt sich einsam und so.«
    »Aber trotzdem …«
    Håkon hatte gelernt zuzuhören, wenn Hanne Wilhelmsen sprach. Er selbst hatte sich keine weiteren Gedanken über Han van der Kerchs Gemütszustand gemacht, hatte ihn nur resigniert zur Kenntnis genommen; noch ein Tor, das sich schloß in einer Ermittlung, die sowieso kaum von der Stelle kam.
    »Kann jemand das hingetrickst haben? Kann ihm irgendwer in der Zelle was getan haben?«
    Håkon gab keine Antwort, und auch Hanne schwieg. Håkon fühlte sich wie immer in Hannes Anwesenheit seltsam wohl. Er empfand hier etwas Neues, anders als bei anderen Frauen, die er kannte, eine Art Kameradschaft, kollegiale Gemeinschaft, ein tiefes Wissen darum, daß sie einander mochten und respektierten. Er ertappte sich bei dem Gedanken, daß sie befreundet sein müßten, verdrängte ihn aber sofort. Instinktiv begriff er, daß sie die Initiative ergreifen mußte, falls sie mehr sein wollte als seine Kollegin. Wie er hier so auf einer eiskalten Bank oben auf St. Hanshaugen saß, an einem Oktobertag mit hellgrauer Luft, war er mehr als zufrieden damit, mit dieser Frau zusammenzuarbeiten; einer Frau, die nahe und fern zugleich war und so tüchtig und entscheidend für die Arbeit, an der er sich versuchen sollte. Er hoffte, daß sie genug Zeit haben würde.
    »Ist in der Zelle irgend etwas Interessantes gefunden worden?«
    »Nicht, daß ich wüßte, und was könnte das auch sein?«
    »Aber es ist doch gesucht worden?«
    Er blieb die Antwort schuldig. Sie fehlte ihm bei der Arbeit, und langsam begriff er, warum. Er hatte nicht genug Erfahrung, was die direkte Ermittlungsarbeit anging; obwohl er formell für alles verantwortlich war, engagierten sich nur wenige Juristen auf dieselbe Weise wie er.
    »Genau diesen Punkt muß ich wohl übersehen haben«, gab er schließlich zu.
    »Es ist noch nicht zu spät«, tröstete sie ihn. »Du kannst die Zelle immer noch untersuchen.«
    Er ließ sich trösten, und um seinen angeknacksten Ruf als Leiter der Ermittlung wieder aufzupolieren, erzählte er von seinen Untersuchungen über Jørgen Ulf Lavik. Lavik hatte einigen Erfolg gehabt. In ziemlich kurzer Zeit. Nach zwei Jahren bei Peter Strup hatte er sich zusammen mit zwei Frischetablierten seines Alters selbständig gemacht. Sie waren in fast allen Bereichen tätig. Lavik arbeitete zu ungefähr fünfzig Prozent mit Strafrecht, die anderen fünfzig Prozent verteilten sich auf handelsrechtliche Fälle von mittlerer Größe. Er hatte sich Gattin Nummer zwei zugelegt und mit ihr in kurzen Abständen drei Kinder bekommen. Die Familie wohnte in einem brauchbaren Reihenhaus, in einem mittelvornehmen Stadtteil. Auf den ersten Blick schien ihr Geldverbrauch nicht die Summen zu übersteigen, die ein Mann wie Lavik verdienen konnte. Zwei Autos, ein einjähriger Volvo und ein Toyota von sieben Jahren (für die Gattin). Keine Hütte, kein Boot. Die Gattin war Nur-Hausfrau, sicher nötig bei drei Jungen von einem, zwei und drei Jahren.
    »Hört sich an wie der Osloer Normalanwalt«, sagte Hanne Wilhelmsen resigniert. »Tell me something I don’t know.«
    Sie kam Håkon erschöpft vor, ihr weißer Atem jagte, obwohl sie doch ganz still saßen. Er stand auf, fuhr sich mit den Händen über den Hintern, wie um imaginären Schnee wegzuwischen, und streckte die Hand aus, um Hanne hochzuhelfen. Obwohl es unnötig war, nahm sie sie.
    »Sieh dir seinen Geschäftskram genauer an«, befahl sie ihrem Vorgesetzten. »Und laß eine Liste der Strafprozesse erstellen, in denen er während der letzten beiden Jahre aufgetreten ist. Ich wette, daß wir da irgendwas finden. Und außerdem«, fügte sie hinzu, »faßt die Fälle jetzt endlich zusammen. Und zwar gehören sie beide zu mir; ich hatte den ersten.« Sie wirkte

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