Blinde Goettin
Vermögen überein. Entweder hat der Typ einen gewaltigen täglichen Verbrauch, oder er hat irgendwo Geld versteckt.«
»Aber warum sollte er ehrlich verdientes Geld beiseite schaffen?«
»Dafür kann es nur einen guten Grund geben: Er will sich der Vermögenssteuer entziehen. Aber so niedrig, wie hierzulande die Vermögenssteuern sind, wäre das blödsinnig und unwahrscheinlich. Ich kann mir einfach nicht vorstellen, daß er für ein paar miese Kronen zum Steuerhinterzieher wird. Seine Bilanzen sind in Ordnung und jedes Jahr von den Wirtschaftsprüfern bestätigt. Also verstehe ich das alles nicht so ganz.«
Sie sahen einander an. Håkon stopfte sich eine Prise Tabak unter die Oberlippe.
»Hast du mit dieser Sauerei angefangen?« fragte Hanne voller Abscheu.
»Nur ein Versuch, um zu verhindern, daß ich wieder auf Zigaretten reinfalle. Nur vorübergehend«, entschuldigte er sich und spuckte die Tabakreste aus.
»Das ist schädlich fürs Zahnfleisch. Und es stinkt.«
»An mir soll ja auch niemand riechen«, erwiderte er. »Werfen wir uns doch mal Bälle zu. Wann würdest du Geld beiseite schaffen?«
»Wenn ich schwarzes oder durch und durch illegales Geld hätte. Schweiz vielleicht. Wie in den Kriminalromanen. Den Schweizer Banken gegenüber sind wir ohnmächtig. Die Konten brauchen ja nicht einmal auf Namen eingetragen zu sein, eine Nummer reicht völlig aus.«
»Haben wir irgendwelche Schweizreisen registriert?«
»Nein, aber er braucht auch nicht hinzufahren. In etlichen der Länder, die er besucht hat, gibt es Filialen von Schweizer Banken. Außerdem werde ich den Gedanken nicht los, daß hinter seinem Engagement in Asien noch mehr steckt. Drogen. Das paßt gut zu unserer Theorie. Nur schade, daß er für seine Reisen eine hervorragende, legitime Erklärung hat. Seine Hotels existieren schließlich.«
Es klopfte an die Tür, und ein blonder Polizist trat ein, noch ehe irgendwer herein gesagt hatte. Das ärgerte Håkon, aber er schwieg.
»Hier sind die Unterlagen, die du haben wolltest«, sagte der Blonde und reichte Hanne vier Seiten Computerausdrucke; dann ging er, ohne die Tür hinter sich zuzumachen. Håkon stand auf und erledigte das für ihn.
»Hat einfach keine Manieren, die heutige Jugend.«
»Aber Håkon, hör mal: Wenn ich nun haufenweise illegales Geld hätte und mir ein Schweizer Konto zulegte, und wenn ich geizig wäre – würde ich dann nicht vielleicht auch etwas von meinem legalen Geld, das ich nicht dringend brauche, nehmen und hinterherschicken?«
»Geizig? Ja, so könnten wir Lavik vielleicht nennen.«
»Sieh dir doch mal an, wie nüchtern er lebt! Solche Leute haben eine ganz spezielle Freude an dem Geld auf ihrem Sparbuch. Er hat alles auf dasselbe Konto gestopft.«
Es war keine besonders gute Theorie, aber solange sie keine bessere hatten, war sie in Ordnung. Aus Geldgier begehen selbst die Besten Fehler. Fehler war hier vielleicht zuviel gesagt, man konnte es wirklich nicht als Gesetzesbruch bezeichnen, wenn jemand weniger Geld hatte, als seine Honorarrechnungen behaupteten.
»Von jetzt an gehen wir davon aus, daß Lavik Kohle in der Schweiz deponiert hat. Wir werden ja sehen, wohin uns das bringt. Nicht sehr weit, fürchte ich. Was ist mit Peter Strup? Hast du nach diesem geheimnisvollen Gespräch im Sofienbergpark seinetwegen etwas unternommen?«
Sie reichte ihm einen dünnen Umschlag. Der Polizeiadjutant sah, daß keine Registriernummer darauf stand. »Mein ganz privates Material«, erklärte sie. »Die Kopien sind für dich. Nimm sie mit nach Hause und bewahr sie an einer sicheren Stelle auf.«
Er blätterte in den Papieren. Strups Lebensgeschichte war beeindruckend. Im Krieg aktiv im Widerstand, obwohl er bei der Befreiung gerade erst achtzehn gewesen war. Schon damals Mitglied der Sozialdemokratischen Partei, hatte er sich dort in den folgenden Jahren nicht hervorgetan. Aber er war mit seinen Kampfgefährten aus dem Widerstand in Kontakt geblieben und verfügte heute über einen Freundeskreis, der auf imponierende Positionen verteilt war. Enger Freund mehrerer früherer Parteispitzen, auf gutem Fuße mit dem König, mit dem er übrigens früher zusammen gesegelt war (die Götter mochten wissen, wie er zu all dem Zeit fand), regelmäßig in Kontakt mit dem Staatssekretär im Justizministerium, mit dem er früher auch zusammengearbeitet hatte. Freimaurer zehnten Grades und damit Besitzer einer Eintrittskarte für die meisten Korridore der Macht. Er hatte eine
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