Blinde Goettin
frühere Mandantin geheiratet, eine Frau, die nach zweijähriger Hölle ihren Mann umgebracht hatte und nach anderthalb Jahren Haft zu Hochzeitsglocken in ein Leben auf der Sonnenseite entlassen worden war. Die Ehe war offenbar glücklich, niemand hatte Strup jemals eine Frauengeschichte anhängen können. Er verdiente sehr gut, obwohl seine Honorare zumeist vom Staat bezahlt wurden. Er bezahlte seine Steuern gern, wie er in den Zeitungen immer wieder betonte, und dabei war von nicht unbedeutenden Beträgen die Rede.
»Das war ja nicht gerade das Porträt eines Großverbrechers«, sagte Håkon und klappte den Ordner zu.
»Nein, aber es wirkt auch nicht besonders gesetzestreu, sich nachts in finsteren Parks mit irgendwelchen Leuten zu treffen.«
»Nächtliche Mandantengespräche werden in diesem Fall ja zur puren Gewohnheit«, stellte er ironisch fest und schob seinen Tabak mit der Zunge an Ort und Stelle.
»Wir müssen vorsichtig sein. Zu Peter Strups vielen Freunden gehören auch Leute vom Überwachungsdienst.«
»Vorsichtig? Wir sind doch so vorsichtig, daß es schon fast an Handlungsunfähigkeit grenzt.« Håkon gab den Kampf mit dem Tabaksaft auf und spuckte in den Papierkorb. Er war einfach aus der Übung.
Es war spitze und der einzige Luxus in Hanne Wilhelmsens Leben. Wie fast jeder Luxus war es vom Gehalt einer Kommissarin eigentlich nicht zu bezahlen. Aber mit dem Zuschuß einer Ärztin konnte sie sechs Monate im Jahr auf einer Harley Davidson, Baujahr 1972, die Freiheit spüren. Die Harley war rosa. Ganz rosa. Cadillacrosa mit blankem, glänzendem Chrom. Jetzt stand sie demontiert im Keller, in einem Hobbyraum mit gelben Wänden, einem alten Ofen in der Ecke, wo Hanne sich, ohne die Wohnungsgenossenschaft um Erlaubnis zu fragen, eine Verbindung zum Schornstein geschlagen hatte. An der Wand standen IKEA-Regale mit einer reichhaltigen Auswahl an Werkzeug. Im obersten Fach stand ein schwarzweißer Reisefernseher.
Der Motor lag in Einzelteilen vor ihr, und sie reinigte ihn mit Q-Tips. Nichts war gut genug für eine Harley. Bis März dauert es viel zu lange, dachte sie, und sie freute sich schon jetzt auf die erste Frühlingstour. Es würde phantastisches Wetter und riesige Pfützen geben. Cecilie würde hinter ihr sitzen, und der Motor würde ohrenbetäubend, aber gleichmäßig dröhnen. Wenn bloß dieser verdammte Helm nicht wäre. Hanne Wilhelmsen war vor vielen fahren in den USA von Küste zu Küste gefahren, da hatte sie ein Stirnband mit der Aufschrift »Fuck helmet laws« getragen. Hier war sie Polizeibeamtin und fuhr mit Helm. Das war nicht dasselbe. Ein Teil der Freiheit ging dabei verloren, etwas von der Freude an der Gefahr, der Kontakt mit dem Wind und die vielen Gerüche.
Sie riß sich aus ihren Träumen und schaltete den Fernseher ein, um sich die Abendnachrichten anzusehen. Die Sendung hatte schon angefangen, und es ging ziemlich hitzig zu. Journalisten hatten ein Buch über die Beziehungen der Regierungspartei zu den Geheimdiensten veröffentlicht, und einige ihrer Behauptungen schienen bestimmten Politikern gewaltig auf den Magen zu schlagen. Nur einer der drei Autoren war anwesend, er bekam sein Teil ab. Vorwürfe, es handele sich um Spekulationen und unbegründete Behauptungen, um Amateurjournalismus und Schlimmeres, hagelte nur so auf den Mann herab. Der Journalist, ein gutaussehender grauhaariger Mann von Mitte Vierzig, antwortete mit so ruhiger Stimme, daß Hanne nach wenigen Minuten davon überzeugt war, daß er recht hatte. Nachdem sie die Sendung eine Viertelstunde lang verfolgt hatte, machte sie sich wieder an den Motor. Die Ventile waren nach einer langen Saison verdreckt.
Plötzlich erweckte die Sendung wieder ihre Aufmerksamkeit. Der Moderator schien auf der Seite des Autors zu stehen und stellte einem der Kritiker eine Frage. Er verlangte eine Garantie dafür, daß der Nachrichtendienst keine Arbeiten durchführte oder Ausrüstungsgegenstände einkaufte, die nicht aus dem staatlichen Haushalt bezahlt wurden. Der Mann breitete die Arme aus und garantierte nach Herzenslust.
»Woher in aller Welt sollten wir das Geld denn sonst nehmen?« war seine rhetorische Frage.
Das brachte das Gespräch ins Schlingern, und Hanne ging wieder an die Arbeit, bis Cecilie in der Tür erschien.
»Jetzt würde ich wirklich sehr, sehr gern ins Bett gehen«, sagte sie lächelnd.
MITTWOCH, 11. NOVEMBER
Er war stocksauer und unzufrieden. Sein Fall, der große Fall, schien im Sande zu
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