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Blinde Goettin

Blinde Goettin

Titel: Blinde Goettin Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Anne Holt
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Das macht ihm sicher nichts aus.«
    »Wie war das Essen?«
    »Bis zum Kaffee sehr nett. Dann fing er wieder an rumzunerven. Ich begreife einfach nicht, was er von dem Jungen will. Er war ziemlich frech, ich mußte ihm eins auf die Finger geben. Ich glaube, ich werde nichts mehr von ihm hören.«
    »Ja, du hast ziemlich wütend ausgesehen, als du gegangen bist.«
    »Als ich gegangen bin? Woher weißt du das?«
    »Du hast das Lokal Punkt 22.04 Uhr verlassen und bist wütend nach Hause gelaufen.« Er lachte kurz, wie um sich zu entschuldigen.
    »Du Schurke, hast du mir nachspioniert?« Karen war empört und fühlte sich dennoch geschmeichelt.
    »Nein, spioniert nicht, ich habe auf dich aufgepaßt. Es war ein kaltes Vergnügen. Drei Stunden in einem Torweg in Grünerløkka sind nicht gerade lustig.« Er legte eine unfreiwillige Pause ein und nieste zweimal heftig. »Ja, verdammt, da hab’ ich mich wohl erkältet. Du solltest mir dankbar sein.«
    »Warum hast du mich nicht angesprochen, als ich aus dem Restaurant gekommen bin?«
    Håkon gab keine Antwort.
    »Hast du gedacht, ich würde böse werden?«
    »Ich habe diese Möglichkeit in Betracht gezogen, ja. So, wie du heute am Telefon warst!«
    »Du bist süß. Du bist wirklich süß. Ich wäre sicher stocksauer gewesen. Aber es ist ein schöner Gedanke, daß du die ganze Zeit da gestanden und auf mich aufgepaßt hast. Warst du dabei der Polizist oder Håkon?«
    In dieser Frage verbarg sich eine Einladung. Tagsüber hätte er sich geschickt herausgeredet, und das wäre ihr auch am liebsten gewesen, das wußte er. Aber jetzt war schwarze Nacht. Ohne es eigentlich zu wollen, sagte er die Wahrheit. »Ein Polizeiadjutant betätigt sich nicht als Leibwächter, Karen. Ein Polizeiadjutant sitzt in seinem Büro und kümmert sich nur um Papiere und Prozesse. Ich habe da gestanden. Ich war eifersüchtig, und ich habe mir Sorgen gemacht. Ich liebe dich. Deshalb.«
    Er war zufrieden und ruhig, ihre Reaktion mochte ausfallen, wie sie wollte. Sie fiel überraschend aus und warf ihn restlos um.
    »Ich bin wohl auch ein bißchen in dich verliebt, Håkon.«
    Plötzlich weinte sie. Håkon war verunsichert.
    »Nicht weinen!«
    »Doch, ich weine, wann ich will«, schluchzte sie. »Ich weine, weil ich nicht weiß, was ich machen soll.« Jetzt schluchzte sie heftig. Håkon konnte kaum hören, was sie sagte. Deshalb ließ er sie in Ruhe weinen. Es dauerte zehn Minuten.
    »Auch eine Methode, Einheiten zu vertelefonieren«, schniefte sie schließlich.
    »Nachts dauert eine Einheit ewig. Das kannst du dir schon leisten.«
    Sie war jetzt ruhiger. »Ich will ein bißchen verreisen«, sagte sie. »Allein, in die Hütte. Ich nehme den Hund und Bücher mit. Ich kann hier in der Stadt einfach nicht denken. Jedenfalls nicht hier, in der Wohnung, und im Büro habe ich nur Zeit für meine Arbeit. Und auch die schaffe ich kaum.« Wieder schniefte sie los.
    »Wann fährst du?«
    »Weiß ich nicht. Ich werde dich auf jeden Fall vorher anrufen. Es kann noch ein oder zwei Wochen dauern. Du mußt mir versprechen, nicht bei mir anzurufen. Du hast das bisher so toll gemacht!«
    »Versprochen, Ehrenwort. Aber du, kannst du das noch mal sagen?«
    »Ich bin vielleicht ein bißchen verliebt, Håkon. Gute Nacht.«

DIENSTAG, 10. NOVEMBER
    »Was für eine Zeitverschwendung!«
    Hanne Wilhelmsen hatte zwei dicke Gummibänder um die Papiere geschlungen. Jetzt sahen sie wie ein wenig verlockendes Weihnachtsgeschenk aus. Das Paket konnte geworfen werden. Peng.
    »Jetzt sind wir Olsen und Lavik durchgegangen. Nichts.«
    »Nichts? Rein gar nichts?« Håkon Sand war überrascht. Daß sie nichts Interessantes fanden, war auffälliger, als wenn sie irgendwelche Kleinigkeiten entdeckt hätten. Nur wenige konnten die kritischen Scheinwerfer der Polizei ertragen, ohne daß sich irgendwo am Stecken doch ein verborgener Rest Dreck zeigte.
    »Mir ist übrigens eine Sache aufgefallen«, sagte Hanne.
    »Wir haben keinen Zugang zu Laviks Bankkonten, weil wir keine Anklage gegen ihn erhoben haben. Aber sieh dir seine Steuererklärungen der letzten Jahre an!«
    Ein Blatt voller nichtssagender Zahlen wurde vor Håkon hingelegt. Er begriff nichts. Nur, daß der Bursche über ein Jahreseinkommen verfügte, das jeden Vertreter der Anklagebehörden veranlassen konnte, vor Neid grün anzulaufen.
    »Da scheint Geld verschwunden zu sein«, erklärte Hanne.
    »Verschwunden?«
    »Ja, sein angegebenes Einkommen stimmt einfach nicht mit seinem

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