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Blinde Goettin

Blinde Goettin

Titel: Blinde Goettin Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Anne Holt
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Kontaktaufnahme? Der Gedanke war schmeichelhaft. Sie blickte in den Spiegel und verzog den Mund. Niederschmetternd. Je magerer sie wurde, desto älter wirkte sie. Seit einigen Monaten wartete sie immer nervöser auf ihre Menstruation, die nicht mehr so regelmäßig kam wie früher. Sie zierte sich, kam, wann es ihr paßte, und hatte sich von viertägigem Strom zu zweitägigem Sickern gewandelt. Die Schmerzen waren weniger geworden, und sie fehlten ihr. Statt dessen hatte sie entsetzt Anflüge von Hitzewellen registriert. Im Spiegel sah sie eine Frau, die von der Natur unbarmherzig in die Großmuttersparte einsortiert worden war. Da sie eine dreiundzwanzigjährige Tochter hatte, war diese Möglichkeit durchaus gegeben. Ein Kälteschauer lief ihr über den Rücken. Das sollte sie nur versuchen!
    Aus einer Schreibtischschublade holte sie einen Tiegel mit teurer Feuchtigkeitscreme, Visible difference. »Invisible difference«, hatte ihr Mann vor einigen Wochen trocken kommentiert und dabei unter dem Rasierer den Mund strammgezogen. Sie hatte ihn so hart angestoßen, daß er sich kräftig in die Oberlippe geschnitten hatte. Sie trat wieder vor den Spiegel und massierte etwas Creme in die Haut ein. Vergebens.
    Der Staatssekretär schien noch immer verheiratet zu sein. Die Regenbogenpresse hatte jedenfalls nichts anderes berichtet. Trotzdem. Die Möglichkeit bestand. Als sie wieder in ihrem Chefsessel saß, warf sie noch einen Blick auf das Fax, ehe sie anrief. Der Minister persönlich hatte es unterschrieben, sie sollte jedoch den Staatssekretär anrufen.
    Seine Stimme war tief und angenehm. Er kam aus Oslo, betonte aber einzelne Wörter auf eine ganz andere Weise, was seiner Stimme einen besonderen Charakter verlieh; es war fast ein singender Ton. Er schlug kein gemeinsames Essen vor. Nicht mal einen schnöden Mittagsimbiß. Er war kurz angebunden und entschuldigte sich für die Anfrage. Der Minister sitze ihm im Nacken. Ob er nicht kurz informiert werden könne? Die Presse quäle den Justizminister, er wünsche eine Besprechung. Mit der Polizeipräsidentin oder eventuell mit dem Abteilungschef. Kein Essen.
    Na gut. Wenn der Staatssekretär abweisend sein wollte, dann konnte sie mithalten. »Ich kann euch die Klageschrift rüberfaxen. Mehr nicht.«
    »Alles klar«, antwortete der Staatssekretär und zettelte enttäuschenderweise nicht einmal eine Diskussion an. »Im Grunde ist mir das schnurz. Aber beklagt euch nicht bei mir, wenn der Minister anfängt zu nerven. Ich wasche meine Hände in Unschuld. Adieu!«
    Stumm saß sie da und starrte den Hörer an. Was für eine Enttäuschung. Der hatte ja keine einzige Information erbettelt. Keine einzige verdammte Information!

MITTWOCH, 25. NOVEMBER
    Das Geräusch kam so unerwartet, daß sie aus purer Verwirrung fast aus dem Bett gefallen wäre. Sie lag wach, obwohl es schon fast zwei Uhr war. Nicht weil das Buch so spannend war, sondern weil sie nach dem Essen drei bleischwere Stunden verschlafen hatte. Auf dem Nachttisch, den sie vor vielen Jahren selbst getischlert hatte, standen eine Kerze und ein Glas Rotwein. Die Flasche daneben war halb leer. Karen Borg war halb voll.
    Sie stand auf und stieß mit dem Kopf gegen die schräge Wand über dem Bett. Es tat nicht sonderlich weh. Das Mobiltelefon stand bei der Feststation an der Tür. Sie hob es hoch und schlüpfte wieder unter die Decke, ehe sie die Gesprächstaste drückte und sich meldete.
    »Hallo, Håkon«, sagte sie, noch ehe sie wußte, wer anrief. Das war ein ziemliches Risiko, wahrscheinlich war es ja Nils. Aber ihre Intuition irrte sich nicht.
    »Hallo«, klang es zaghaft am anderen Ende. »Wie geht es dir?«
    »Wie geht es dir ?« wehrte sie ab. »Was hat die Zweite Instanz gesagt?«
    Sie wußte es also schon.
    »Die sind heute nicht fertig geworden. Ich meine: gestern. Es besteht also noch Hoffnung. In einigen Stunden fängt der Arbeitstag an, und dann kommen sie sicher recht bald zu einer Entscheidung. Ich kann einfach nicht schlafen.« Er brauchte eine halbe Stunde, um ihr zu erklären, was geschehen war. Er nahm kein Blatt vor den Mund, was seine eigene klägliche Darbietung anging.
    »So schlimm kann es doch nicht gewesen sein«, sagte sie ohne Überzeugung. »Den Wichtigsten haben sie immerhin in U-Haft geschickt.«
    »Ja, einstweilen«, antwortete er mürrisch. »Das platzt morgen. Ziemlich sicher. Ich habe keine Ahnung, was wir dann machen sollen. Und ich habe dich zu strafbaren Handlungen verleitet. Bruch der

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