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Blinde Seele: Thriller (German Edition)

Blinde Seele: Thriller (German Edition)

Titel: Blinde Seele: Thriller (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Hilary Norman
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bleiben, immer zuschauen, aufnehmen, kleinere Eingriffe nachahmen, potenziell gefährliche Begegnungen meiden, indem man sagte, man würde woanders gebraucht – das alles lernte er. Außerdem konnte er alle Abteilungen, sogar die Mitarbeiter benennen.
    Er lernte auch, wann es Zeit für ihn wurde, zu verschwinden. Zum Beispiel, wenn jemand Fragen über ihn gestellt oder ihn neugierig gemustert hatte. Oder, was viel schlimmer war, wenn er versehentlich einen Patienten verletzt hatte. Nicht schwer verletzt, versteht sich; er wäre lieber gestorben, als jemandem ernsten Schaden zuzufügen. Aber egal, wie oft man Injektionen an einer Orange übte – bei den Patienten gab es solch unterschiedliche Schmerzgrenzen und Veranlagungen, dass immer etwas schiefgehen konnte.
    Er wusste schon gar nicht mehr, wie viele unerlaubte Blutproben oder Abstriche er genommen hatte. Er musste nur in ein Zimmer gehen und einem Patienten sagen, weshalb er gekommen sei, und sie ließen ihn gewähren. Wenn er als Arzt ins Zimmer kam, um Blut abzunehmen, hielten sie ihm den Arm hin. Wenn er sie bat, den Mund aufzumachen oder ihn einen Blick in ihre Ohren werfen zu lassen, gehorchten sie. Manchmal schenkte er ihnen einfach nur seine Zeit, hörte einem Patienten zu, tröstete ihn.
    Sie hielten ihn für einen Arzt, und deshalb respektierten sie ihn.
    Es war ein wundervolles Gefühl.

*
    Seine neue Identität als Dr. George Wiley machte ihn frei.
    Jetzt war er bereit, ausgestattet mit genügend Wissen und gefälschten Diplomen, eine echte Position zu erlangen, um sicherzustellen, dass seine Arbeit exzellent genug war und ihm so gute Referenzen einbrachte, dass er die nächste Sprosse auf der Leiter erklimmen konnte.
    Es hatte geklappt, da es in Florida von Pflegeheimen und kleinen Kliniken nur so wimmelte, die meisten davon gut geführt, mit sorgfältig ausgewähltem und überprüftem Personal, aber manche auch von ausgebrannten, nachlässigen oder regelrecht skrupellosen Leuten geleitet. In solchen Häusern waren die Patienten häufig dankbar für zusätzliche Fürsorge, was hieß, dass Dr. Wiley ihnen genau die gründliche Behandlung zukommen lassen konnte, die sie andernfalls vermutlich nicht bekommen hätten. Und wenn ein Vorgesetzter doch mal einen Einwand gegen irgendetwas erhob, war es leicht, es auf die Demenz des Patienten zu schieben oder auf seine Neigung hinzuweisen, »schwierig« zu sein – und ihn künftig zu meiden.
    Er machte seine Arbeit gut und beging keine schwerwiegenden Fehler. Seine Arbeitgeber bedauerten jedes Mal, ihn zu verlieren, wenn er ging, um die nächste Sprosse auf der Leiter zu erklimmen.
    Und so hatte er sich mit der Zeit bis zur Adams Clinic hochgearbeitet.
    Er hatte einen zusätzlichen Vorteil darin gesehen, dort zu arbeiten, vor allem mit Patienten mit bandagierten Augen oder solchen, die nach einem bestimmten Eingriff in einer unangenehmen Lage ausharren mussten. Ein Patient, der sich beispielsweise nach der Behandlung eines Makulalochs mit dem Gesicht nach unten hinlegen musste, war nicht in der Verfassung, sich zu streiten, und der junge Arzt achtete darauf, niemals die Grenze zu überschreiten, vor allem nicht bei den besser informierten Patienten.
    Dr. George Wiley, sanftmütig, zuvorkommend und auf dem Weg nach oben, hielt sich für durchaus gewandt in der Kunst, einzuschätzen, an wem er üben konnte und wen er lieber in Ruhe lassen sollte.
    Bis die Becket-Frau alles ruiniert hatte.

141.
    »Wir mussten uns überlegen, was für eine Person Arlene Silver am ehesten in ihre Wohnung lassen würde. Am besten wäre es, überlegten wir uns, wenn sie uns erwarten würde.«
    Alle Anwesenden waren inzwischen erschöpft, aber alle hörten Toni Petit gebannt zu, denn der Mord an Arlene Silver war der vermutlich erste Black-Hole-Mord gewesen – der Vorläufer und damit in mancher Hinsicht vielleicht der entscheidendste.
    Toni und Kate hatten in einer Sofortdruckerei eine Einladung drucken lassen, in der Mrs. Silver mitgeteilt wurde, sie gehöre einer exklusiven Auswahl von Frauen in Orange County an, die zu einer »speziellen Behandlung« eingeladen seien, bei der diese Frauen nach nur einem Behandlungstermin ihrer »Problemzonen« garantiert schlanker und straffer aussehen würden, oder sie bekamen ihr Geld zurück.
    In der Einladung hieß es, eine einzigartige Kombination erst kürzlich entwickelter essenzieller Öle und einer besonderen Massagetechnik sei nur einen Tag lang erhältlich; danach würden die Öle

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