Blinde Seele: Thriller (German Edition)
in den gesamten USA sechs Monate lang vom Markt verschwinden.
»Wir haben es PN301 genannt und gesagt, das sei die Arbeitsbezeichnung. PN wie in piel nueva .«
»Neue Haut«, sagte Gutierrez.
»Richtig. Wir haben Mrs. Silvers Einladung am nächsten Morgen persönlich zugestellt, nachdem der Ehemann gegangen war, und um kurz nach neun an ihre Tür geklopft.«
»Und sie ist darauf reingefallen?«, fragte Martinez ungläubig.
»Sie hat uns freundlich begrüßt, schien ganz aufgeregt. Ich dachte, sie würde uns vielleicht von der Drogerie wiedererkennen, aber wir sahen anders aus. Wir hatten uns Perücken gekauft – ich war ein Rotschopf und Kate eine Blondine, und sie hatte ihren Gehstock nicht dabei.«
Eine Teilbestätigung der Sichtung in Naples, auch wenn es unwahrscheinlich schien, dass jemand diese zierliche Frau für einen Mann halten konnte.
»Sie wollte die Öle sehen, bevor wir anfingen«, fuhr Toni fort. »Sie sei ein bisschen skeptisch, sagte sie. Andererseits wollte sie alles gerne ausprobieren.«
»Ihr hattet echte Öle mitgebracht?«, fragte Sam.
»Wir hatten ein paar essenzielle Öle in kleinen Fläschchen in einem Naturkosmetikgeschäft gekauft und die Etiketten abgelöst. Kate ließ die Frau daran riechen, während ich ihr von unserem speziellen Entspannungs-Kräutertee erzählte und sie fragte, ob sie davon probieren wolle.«
»Und hat sie?«, fragte Duval.
Toni nickte. »Wenn sie es nicht getan hätte …«
»Ja?«, fragte Sam.
»Ich weiß nicht«, sagte Toni. »Sie hat es getan.«
»Habt ihr noch irgendwelche anderen Behandlungsmittel mitgebracht?«, fragte Sam. »Als Teil eurer Vertuschungsgeschichte? Irgendetwas, das Aceton enthielt?«
Toni runzelte die Stirn. »Nein.«
Sam hakte diese falsche Fährte ab.
Toni erzählte, sie hätte eine Tasse mit ihrem »speziellen« Tee gemacht und mit Diazepam versetzt.
»Was war sonst noch in dem Tee?«, fragte Sam.
»Ingwer, Bergamotte, Orange, Honig.«
Die Kamillentee-Theorie war damit auch vom Tisch.
»Wie viel Diazepam hast du dem Zeug beigemischt?«
»Ich hatte mehrere Zehn-Milligramm-Tabletten zerstoßen, mehr als genug, um sie sehr schläfrig zu machen, es sei denn, sie wäre ungewöhnlich resistent. Wir sagten ihr, sie solle den Honig kräftig umrühren, der sich am Boden der Tasse abgesetzt hätte.«
Sie hatten in Arlene Silvers Wohnzimmer Platz genommen und von den Wundern des PN301 geschwärmt, während die ahnungslose Frau ihren Tee umrührte und trank und sagte, wie süß und ungewöhnlich der Geschmack sei, und von anderen Behandlungen erzählte, die sie ausprobiert hatte.
»Sie wunderte sich, als sie plötzlich schläfrig wurde. Ich sagte ihr, gelegentlich käme es zu Wechselwirkungen zwischen verschreibungspflichtigen Medikamenten und den Kräutern in dem Tee, und sie wollte uns von irgendetwas erzählen, das sie einnahm, aber da war sie schon zu benommen, um noch klar zu reden.« Toni blickte Sam an. »Sie hatte zu keinem Zeitpunkt Angst.«
»War das der Grund, weshalb ihr sie mit Medikamenten betäubt habt?« Er hoffte noch immer auf eine Spur Menschlichkeit. »Damit sie keine Angst hat?«
»Kate wollte sie in ihr Schlafzimmer verlegen, und das war leichter, wenn sie keinen Widerstand leistete«, antwortete Toni.
Aus Gründen der Zweckmäßigkeit also.
Ein beinahe sanfter Weg bis zum Augenblick des Tötens.
Aber nicht aus Gefälligkeit.
Nicht aus Menschlichkeit.
Sam war jetzt überzeugt, dass Toni selbst die treibende Kraft, der scharfe Verstand hinter dem Verbrechen gewesen war, egal, wie oft sie »Kate wollte« sagte.
Die treibende Kraft hinter sechs grauenhaften Morden.
»Was geschah dann?«, fragte Martinez.
»Kate hat das Bett so zurechtgemacht, wie sie es haben wollte. Sie haben es ja gesehen.«
»Bitte beschreib es für das Protokoll«, sagte Sam.
Toni beschrieb es – die Anzahl der Kissen, die Laken.
Und dann schilderte sie, wie sie der betäubten Frau auf ihr Bett geholfen hatten, wie sie ihren Kopf auf den Kissenstapel gelegt hatten. Arlene Silver hatte ein paar Mal verwundert geblinzelt, vielleicht, weil sich das Bett anders anfühlte, aber sie hatte keine Angst gehabt.
Und dann war sie eingeschlafen.
Für immer.
142.
Dr. Adams war früh an diesem Morgen gekommen, um nach Mildred zu sehen.
»Sie brauchen offensichtlich nicht viel Schlaf«, hatte sie beeindruckt zu ihm gesagt und hinzugefügt: »Sind Sie sicher, dass Sie aufgeweckt genug sind?«
»Sie sind mit Sicherheit aufgeweckt
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