Blinde Seele: Thriller (German Edition)
»Und dann habe ich sie wieder ausgezogen, bis Arlene schläfrig wurde. Wir haben beide darauf geachtet, nichts anzufassen.« Sie hob den Blick. »Ich muss mal auf die Toilette.«
»Wir machen bald eine Pause«, sagte Duval.
»Es gibt nicht mehr viel zu sagen«, erklärte Toni.
»Du hast ihr die Maske um den Kopf und über die ausgeschossenen Augenhöhlen gebunden.« Sams Tonfall war jetzt härter. »Und dann?«
»Dann haben wir sauber gemacht. Wir waren beide aufgewühlt, aber ich glaube, wir haben gute Arbeit geleistet.«
»Nicht sehr gut«, bemerkte Duval. »Ihr habt Fingerabdrücke hinterlassen.«
»Ach ja?«, sagte Toni. »Tja, dann war’s wohl doch nicht so gut.«
Sam warf einen Blick auf die Armbanduhr und stellte fest, dass es fast zehn war. Er schaute die anderen an und blickte dann zu Joe Duval. Der nickte.
Sam bedankte sich.
»Die Vernehmung ist unterbrochen«, sagte er.
144.
Während Joe Duval sich mit dem stellvertretenden Staatsanwalt traf, rief Sam im Hallandale General Hospital an, wo man ihm sagte, dass es Billie inzwischen gut genug ging, um entlassen zu werden, und dass sie gegenüber den Detectives aus dem Broward County bereits eine Aussage gemacht habe. Überdies erfuhr er, dass Thomas Chauvin aufgrund einer Verzögerung erst kürzlich in den OP-Saal gebracht worden war, die Klinik aber vermutlich noch an diesem Nachmittag würde verlassen können.
Sam bat den Chef der Notaufnahme, Chauvin auszurichten, dass seine Aussage zu den Ereignissen der vergangenen Nacht benötigt werde; er solle in der Klinik bleiben, bis Sam zu ihm käme.
»Er wird nicht mehr zurück in die Notaufnahme kommen, Detective«, antwortete der Arzt. »Versuchen Sie es bitte später bei der Vermittlung.«
*
Sam und Martinez gingen zu Markie’s, um einen Happen zu frühstücken, gaben ihre Bestellung auf und saßen dann schweigend da, bis ihr Essen kam.
»Okay«, sagte Martinez nach einer Weile. »Ich habe ein bisschen Energie gebraucht, um dich zusammenzustauchen, weil du gestern Abend allein da reingegangen bist, Mann.«
»Ich hatte dich angerufen«, sagte Sam. »Zweimal. Und Duval.«
»Du hattest ein ungutes Gefühl und bist trotzdem allein reingegangen. So geht das nicht, Sam.«
»Ich weiß«, sagte Sam. »Tut mir leid.«
Sie aßen ein paar Minuten schweigend.
»Wie sieht denn nun dein Plan für deinen französischen Schwachkopf aus?«
»Ich werde dafür sorgen, dass er in ein Flugzeug Richtung Heimat gesetzt wird.« Sam tunkte ein Stück Speck ins Eigelb. »Willst du mitkommen? Mir helfen, Klartext mit ihm zu reden?«
»Ich bin dabei«, sagte Martinez.
145.
Toni hatte ihr Frühstück nicht angerührt.
Joe Duval belehrte sie noch einmal über ihre Rechte, und sie verzichtete wieder darauf.
Die Geschichten der nächsten drei Morde waren erschreckend ähnlich. Alle drei hatten an einem Samstag im Februar auf einer Schönheitsmesse in einem Hotel in der Innenstadt von Miami begonnen, wo Toni sich ein bisschen dazuverdient hatte, indem sie einer Kundin aus der Modebranche an deren Stand aushalf. Kate war ebenfalls mitgekommen.
Es war der Tag, an dem Kate die späteren Opfer Karen Weber, Lindy Braun und Amelia Newton zum ersten Mal sah und regelrecht besessen von ihnen wurde. Alle drei wurden mit der PN-301-Verkaufsmasche eingewickelt, passend zu ihren Problemen. Alle drei waren darauf angesprungen.
Der Rest war Geschichte.
Genau geplant und organisiert.
Krank und gnadenlos.
Toni behauptete, Kate sei nicht aufzuhalten gewesen. Sie habe damit gedroht, ihr dasselbe anzutun wie Arlene Silver. Sie, Toni, habe aber nicht nur wegen dieser Drohung gehorcht, sondern auch aus Angst, was aus Kate werden könnte, wenn sie selbst in den Todestrakt käme.
Sam spürte die Abscheu der anderen im Verhörraum.
»Ich weiß, dass ich schlimmer bin, als Kate es jemals gewesen ist«, sagte Toni. »Jetzt weiß ich es.«
Niemand widersprach ihr.
Sam fragte sie nach der Unterbrechung der Mordserie zwischen den Morden an Lindy Braun und Amelia Newton.
»Nach Naples wurde Kate krank. Ich hoffte, es wäre das letzte Mal gewesen.«
»Ja, sicher«, sagte O’Dea.
»Wir haben Amelia gesagt, es hätte eine Verzögerung bei dem Produkt gegeben, aber wir wollten sie nicht enttäuschen«, sagte Toni. »Sie war sehr dankbar. Das waren sie alle.«
*
Der Delgado-Mord hatte anders begonnen.
Mit dem Streit zwischen Mutter und Tochter im Wartezimmer der Arztpraxis, den die Petit-Schwestern mit angehört hatten. Die Hysterie
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